Aux sources de la social-démocratie: Ferdinand Lassalle
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I. L´"État populaire" de F. Lassalle – une mystification tenace
1. F. Lassalle et l’État populaire
2. De K. Kautsky à M. Adler, la théorie de l’équilibre de forces entre les classes
3. György Lukács et la notion de "dictature démocratique"
4. Georges Dimitrov et la "république démocratique de type nouveau"
II. Marx et Engels au sujet de F. Lassalle
III. La "communauté solidaire", un camouflage de l’appareil d’état
I. L´"État populaire" de F. Lassalle – une mystification tenace
1. F. Lassalle et l’État populaire
[1].
§ 1. Unter dem Namen "[Allgemeiner] Deutscher Arbeiterverein" begründen die Unterzeichneten für die deutschen Bundesstaaten einen Verein, welcher, von der Überzeugung ausgehend, daß nur durch das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht eine genügende Vertretung der sozialen Interessen des deutschen Arbeiterstandes und eine wahrhafte Beseitigung der Klassengegensätze in der Gesellschaft herbeigeführt werden kann, den Zweck verfolgt, auf friedlichem und legalem Wege, insbesondere durch das Gewinnen der öffentlichen Überzeugung, für die Herstellung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts zu wirken.
[2].
I. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei erstrebt die Errichtung des freien Volksstaats.
II. Jedes Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei verpflichtet sich, mit ganzer Kraft einzutreten für folgende Grundsätze:
1. Die heutigen politischen und sozialen Zustände sind im höchsten Grade ungerecht und daher mit der größten Energie zu bekämpfen.
2. Der Kampf für die Befreiung der arbeitenden Klassen ist nicht ein Kampf für Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für gleiche Rechte und gleiche Pflichten und für die Abschaffung aller Klassenherrschaft.
3. Die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters von dem Kapitalisten bildet die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form, und es erstrebt deshalb die Sozialdemokratische Partei unter Abschaffung der jetzigen Produktionsweise (Lohnsystem) durch genossenschaftliche Arbeit den vollen Arbeitsertrag für jeden Arbeiter.
4. Die politische Freiheit ist die unentbehrlichste Vorbedingung zur ökonomischen Befreiung der arbeitenden Klassen. Die soziale Frage ist mithin untrennbar von der politischen, ihre Lösung durch diese bedingt und nur möglich im demokratischen Staat.
5. In Erwägung, daß die politische und in Erwägung, daß die politische und ökonomische Befreiung der Arbeiterklasse nur möglich ist, wenn diese gemeinsam und einheitlich den Kampf führt, gibt sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei eine einheitliche Organisation, welche es aber auch jedem einzelnen ermöglicht, seinen Einfluß für das Wohl der Gesamtheit geltend zu machen.
6. In Erwägung, daß die Befreiung der Arbeit weder eine lokale noch nationale, sondern eine soziale Aufgabe ist, welche alle Länder, in denen es moderne Gesellschaft gibt, umfaßt, betrachtet sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, soweit es die Vereinsgesetze gestatten, als Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation, sich deren Bestrebungen anschließend.
III. Als die nächsten Forderungen in der Agitation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei sind geltend zu machen:
1. Erteilung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts an alle Männer vom 20. Lebensjahre an zur Wahl für das Parlament, die Landtage der Einzelstaaten, die Provinzial- und Gemeindevertretungen wie alle übrigen Vertretungskörper. Den gewählten Vertretern sind genügende Diäten zu gewähren.
2. Einführung der direkten Gesetzgebung (d. h. Vorschlags- und Verwerfungsrecht) durch das Volk.
3. Aufhebung aller Vorrechte des Standes, des Besitzes, der Geburt und Konfession.
4. Errichtung der Volkswehr an Stelle der stehenden Heere.
5. Trennung der Kirche vom Staat und Trennung der Schule von der Kirche.
6. Obligatorischer Unterricht in Volksschulen und unentgeltlicher Unterricht in allen öffentlichen Bildungsanstalten.
7. Unabhängigkeit der Gerichte, Einführung der Geschworenen- und Fachgewerbegerichte, Einführung des öffentlichen und mündlichen Gerichtsverfahrens und unentgeltliche Rechtspflege.
8. Abschaffung aller Presse-, Vereins- und Koalitionsgesetze; Einführung des Normalarbeitstages; Einschränkung der Frauen- und Verbot der Kinderarbeit.
9. Abschaffung aller indirekten Steuern und Einführung einer einzigen direkten progressiven Einkommensteuer und Erbschaftssteuer.
10. Staatliche Förderung des Genossenschaftswesens und Staatskredit für freie Produktivgenossenschaften unter demokratischen Garantien.
[3].
Meine Herren!
Aufgefordert, Ihnen einen Vortrag zu halten, habe ich geglaubt, am besten zu tun, wenn ich für denselben ein Thema wähle und auf streng wissenschaftliche Weise behandle, welches Sie seiner Natur nach besonders interessieren muß. Ich werde nämlich sprechen über den speziellen Zusammenhang, welcher stattfindet zwischen dem Charakter der gegenwärtigen Geschichtsperiode, in der wir uns befinden, und der Idee des Arbeiterstandes.
[…]
Kehren wir von dieser Ausführung zu unserem Hauptfaden zurück, so haben wir also gezeigt und haben weiter zu zeigen, wie, seitdem durch die französische Revolution die Bourgeoisie zur Herrschaft gelangte, jetzt ihr Element, der bürgerliche Besitz, zum herrschenden Prinzip aller gesellschaftlichen Einrichtungen gemacht wird; wie die Bourgeoisie, ganz so verfahrend, wie der Adel im Mittelalter mit dem Grundbesitz, jetzt das herrschende und ausschließende Gepräge ihres besonderen Prinzips, des bürgerlichen oder Kapitalbesitzes, das Gepräge ihres Privilegiums allen Einrichtungen der Gesellschaft aufdrückt. Die Parallele zwischen Adel und Bourgeoisie ist darin eine vollständige.
[…]
Sie sehen, meine Herren, wenn die Revolution von 1789 die Revolution des Tiers état, des dritten Standes war, so ist es diesmal der vierte Stand, der 1789 noch in den Falten des dritten Standes verborgen war und mit ihm zusammenzufallen schien, welcher jetzt sein Prinzip zum herrschenden Prinzip der Gesellschaft erheben und alle ihre Einrichtungen mit demselben durchdringen will.
[…]
Insofern aber und insoweit die unteren Klassen der Gesellschaft die Verbesserung ihrer Lage als Klasse, die Verbesserung ihres Klassenloses erstreben, insofern und insoweit fällt dieses persönliche Interesse, statt sich der geschichtlichen Bewegung entgegenzustellen und dadurch zu jener Unsittlichkeit verdammt zu werden, seiner Richtung nach vielmehr durchaus zusammen mit der Entwicklung des gesamten Volkes, mit dem Siege der Idee, mit den Fortschritten der Kultur, mit dem Lebensprinzip der Geschichte selbst, welche nichts anderes als die Entwicklung der Freiheit ist. Oder, wie wir schon oben sahen, Ihre Sache ist die Sache der gesamten Menschheit.
[…]
Ganz anders, meine Herren, faßt der vierte Stand den Staatszweck auf, und zwar faßt er ihn so auf, wie er in Wahrheit beschaffen ist.
Die Geschichte, meine Herren, ist ein Kampf mit der Natur; mit dem Elende, der Unwissenheit, der Armut, der Machtlosigkeit und somit der Unfreiheit aller Art, in der wir uns befanden, als das Menschengeschlecht im Anfang der Geschichte auftrat. Die fortschreitende Besiegung dieser Machtlosigkeit ‑ das ist die Entwicklung der Freiheit, welche die Geschichte darstellt.
[4].
In diesem Kampfe würden wir niemals einen Schritt vorwärts gemacht haben oder jemals weiter machen, wenn wir ihn als einzelne jeder für sich, jeder allein, geführt hätten oder führen wollten.
Der Staat ist es, welcher die Funktion hat, diese Entwicklung der Freiheit, diese Entwicklung des Menschengeschlechts zur Freiheit zu vollbringen.
[5].
Das Prinzip des Arbeiterstandes als das herrschende Prinzip der Gesellschaft soll jetzt von uns nur noch in dreierlei Beziehung betrachtet werden:
1. in bezug auf das formelle Mittel seiner Verwirklichung;
2. in bezug auf seinen sittlichen Inhalt und
3. in bezug auf die politische Auffassung des Staats-Zweckes, die ihm innewohnt.
Auf andere Seiten desselben können wir heut nicht mehr eingehen, und auch die angegebenen Beziehungen können bei der so vorgeschrittenen Zeit nur noch ganz flüchtig beleuchtet werden.
Das formelle Mittel der Durchführung dieses Prinzips ist das bereits betrachtete allgemeine und direkte Wahlrecht. Ich sage, das allgemeine und direkte Wahlrecht, meine Herren, nicht das bloß allgemeine Wahlrecht, wie wir es im Jahre 1848 gehabt haben. Die Einführung von zwei Abstufungen bei dem Wahlakt, von Urwählern und Wahlmännern, ist nichts als ein künstliches Mittel, absichtlich zu dem Zweck eingeführt, den Volkswillen beim Wahlakt möglichst zu verfälschen.
Zwar wird auch das allgemeine und direkte Wahlrecht keine Wünschelrute sein, meine Herren, die Sie vor momentanen Mißgriffen schützen kann.
Wir haben in Frankreich in den Jahren 1848 und 1849 zwei schlechte Wahlen hintereinander gesehen. Aber das allgemeine und direkte Wahlrecht ist das einzige Mittel, welches auf die Dauer von selbst wieder die Mißgriffe ausgleicht, zu denen sein momentan irriger Gebrauch führen kann. Es ist jene Lanze, welche selbst die Wunden wieder heilt, die sie schlägt. Es ist auf die Länge der Zeit bei dem allgemeinen und direkten Wahlrecht nicht anders möglich, als daß der gewählte Körper das genaue treue Ebenbild sei des Volkes, das ihn gewählt hat.
Das Volk wird daher jederzeit das allgemeine und direkte Wahlrecht als sein unerläßlich politisches Kampfmittel, als die allerfundamentalste und wichtigste seiner Forderungen betrachten müssen.
[6].
Am 24. Februar 1848 brach die erste Morgenröte einer neuen Geschichtsperiode an.
An diesem Tage brach nämlich in Frankreich, in diesem Lande, in dessen gewaltigen inneren Kämpfen die Siege wie die Niederlagen der Freiheit, Siege und Niederlagen für die gesamte Menschheit bedeuten, eine Revolution aus, die einen Arbeiter in die provisorische Regierung berief, als den Zweck des Staates die Verbesserung des Loses der arbeitenden Klassen aussprach, und das allgemeine und direkte Wahlrecht proklamierte, durch welches jeder Bürger, der sein 21. Jahr erreicht hatte, ohne alle Rücksicht auf seine Besitzverhältnisse einen gleichmäßigen Anteil an der Herrschaft über den Staat, an der Bestimmung des Staatswillens und Staatszweckes empfing.
[7].
Der Arbeiterstand muß sich als selbständige politische Partei konstituieren und das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht zu dem prinzipiellen Losungswort und Banner dieser Partei machen. Die Vertretung des Arbeiterstandes in den gesetzgebenden Körpern Deutschlands ‑ dies ist es allein, was in politischer Hinsicht seine legitimen Interessen befriedigen kann. Eine friedliche und gesetzliche Agitation hierfür mit allen gesetzlichen Mitteln zu eröffnen, das ist und muß in politischer Hinsicht das Programm der Arbeiterpartei sein.
[…]
Wie aber den Staat zu dieser Intervention vermögen?
Und hier wird nun sofort sonnenhell die Antwort vor Ihrer aller Augen stehen: dies wird nur durch das allgemeine und direkte Wahlrecht möglich sein. Wenn die gesetzgebenden Körper Deutschlands aus dem allgemeinen und direkten Wahlrecht hervorgehen ‑ dann und nur dann werden Sie den Staat bestimmen können, sich dieser seiner Pflicht zu unterziehen.
Dann wird diese Forderung in den gesetzgebenden Körpern erhoben werden, dann mögen die Grenzen und Formen und Mittel dieser Intervention durch Vernunft und Wissenschaft diskutiert werden, dann werden ‑ verlassen Sie sich darauf! ‑ die Männer, die Ihre Lage verstehen und Ihrer Sache hingegeben sind, mit dem blanken Stahl der Wissenschaft bewaffnet zu Ihrer Seite stehen und Ihre Interessen zu schützen wissen! Und dann werden Sie, die unbemittelten Klassen der Gesellschaft, es jedenfalls nur sich selbst und Ihren schlechten Wahlen zuzuschreiben haben, wenn und solange die Vertreter Ihrer Sache in der Minorität bleiben.
Das allgemeine und direkte Wahlrecht ist also, wie sich jetzt ergeben hat, nicht nur Ihr politisches, es ist auch Ihr soziales Grundprinzip, die Grundbedingung aller sozialen Hilfe. Es ist das einzige Mittel, um die materielle Lage des Arbeiterstandes zu verbessern.
Wie nun aber die Einführung des allgemeinen und direkten Wahlrechts bewirken?
[…]
Organisieren Sie sich als ein allgemeiner deutscher Arbeiterverein zu dem Zweck einer gesetzlichen und friedlichen, aber unermüdlichen, unablässigen Agitation für die Einführung des allgemeinen und direkten Wahlrechts in allen deutschen Ländern.
2. De K. Kautsky à M. Adler, la théorie de l’équilibre de forces entre les classes
[8].
Es gibt eine Schar wohlmeinender und verständiger Männer, die das anerkennen, aber einwenden, daß wir das allgemeine Wahlrecht usw. doch nicht bekommen, außer durch eine Revolution. Die so denken, unterschätzen die Macht, welche die Arbeiterklasse schon heute besitzt. Sie ist heute bereits schon ein politischer Faktor, mit dem man rechnen muß, dessen Unzufriedenheit Furcht einflößt, dessen Kraft man gerne gegen den Gegner ausspielt. Keine wichtige Neuerung kann sich heute im Staatsleben vollziehen ohne Konzessionen an die Arbeiter. Wir sehen dies gegenwärtig in Österreich, wo das feudal-klerikale Regiment, um die Liberalen lahmzulegen, sich genötigt gesehen hat, den Arbeitern den Normalarbeitstag und die Fabriksinspektoren in Aussicht zu stellen. Wir sahen es im Deutschen Reich, dessen Gründung Bismarck mit dem allgemeinen Wahlrecht erkaufen mußte, wir haben es gesehen in England, wie Liberale und Konservative um die Wette das Wahlrecht der Arbeiter, um den Gegner mattzusetzen, erweitert haben und erweitern. Es liegt aber, so sonderbar dies klingen mag, im Interesse der herrschenden Klassen, den Arbeitern jede Möglichkeit zur Organisation und Aufklärung zu geben, weil dadurch die Form des Klassenkampfes eine mildere wird. Und nicht nur das! Es sind heute nicht nur die Arbeiter allein, welche die herrschenden Klassen bedrohen, sondern ebenso das Kleinbauern- und Kleinbürgertum. Diese beiden Stände werden immer gewalttätiger auftreten, je mehr der Zersetzungsprozeß fortschreitet, dem sie gegenwärtig erliegen. Aber während die Arbeiter den Fortschritt repräsentieren, stellen diese beiden Stände den Rückschritt dar; den Kleinbauern und Kleinbürgern handelt es sich um Zerstückelung der heutigen Kapitalien, dem Lohnproletariat um Zentralisierung derselben. Diese muß vor allem aufbauend, organisierend wirken, wenn es zur Macht kommt, jenes kann nur zerstören. Das hat es in Zala-Egerszeg bewiesen, deutlich bewiesen. Nicht die Geburtswehen einer neuen, sondern die Todeszuckungen einer alten Gesellschaft sind es, die sich in den Judenhetzen Ungarns offenbaren.
Diese Judenhetzen aber werden und müssen sich in verstärktem Maße wiederholen, und sie werden schließlich nicht den Juden allein, sondern allen Besitzenden gelten.
Bereits zeigen sich die Anzeichen einer Krise in Amerika, ihr Ausbruch ist nahe. Diese Krise verstopft das bisherige Sicherheitsventil Europas, die Auswanderung. Aber noch mehr! Die Krise wird nach Europa übergreifen, hier Arbeitslosigkeit, Bankrotte zur Folge haben; diese Krise wird amerikanisches Getreide und amerikanische Waren zu Schleuderpreisen auf den europäischen Markt werfen, sie wird den Kleinbauern und Handwerker vollends erdrücken. Dann wird es in ganz Österreich zu Szenen kommen, gegen welche die blutigsten Ereignisse der Französischen Revolution nur Kinderspiele sein werden; dann wird Österreich nur ein großes Zala-Egerszeg darstellen! Kleinbauern und Handwerker werden sich erheben und die unorganisierten Arbeiter mit sich fortreißen ‑ wenn nicht die organisierten Arbeiter, das ist die Sozialdemokratie, stark genug ist, die Bewegung in andere Bahnen zu lenken. Die reaktionären Gegner des Kapitalismus, die Bauern und Kleinbürger, wenden sich gegen Personen, sie werden die ganze Summe von Haß und Verzweiflung, welche die moderne Gesellschaft in ihnen ablagert, den Personen, den Kapitalisten entgegen lassen; die revolutionäre Sozialdemokratie dagegen wendet sich gegen das System des Kapitalismus, nicht gegen die Person des Kapitalisten.
Die Stärkung der Sozialdemokratie bietet daher die Möglichkeit, die blutigen Ereignisse, welchen wir entgegensehen, zu vermeiden. Sie bietet die einzige Möglichkeit dazu, denn der Zusammenbruch, den wir prophezeien, ist nicht aufzuhalten. Die amerikanische Krisis kann nicht von der Polizei konfisziert werden; die Verzweiflung und die Not der untergehenden Bauern und Kleinbürger auszuweisen ist nicht gut möglich, denn Hunger kann man nicht verbieten! Diese Faktoren sind es, und nicht etwa kindische Putsche einer Handvoll größenwahnsinniger Phrasenhelden, welche die Revolution bringen werden ‑ und bald bringen werden.
Dann wird die Sozialdemokratie zu zeigen haben, ob sie ihrer Aufgabe gewachsen ist, dann wird sie zu zeigen haben, ob sie imstande ist, an Stelle der alten zusammenbrechenden Produktionsweise eine neue zu organisieren, oder ob das Chaos an ihre Stelle treten soll. Die Sozialdemokratie zu dieser Aufgabe tauglich zu machen, zu organisieren, zu agitieren, zu bilden ‑ das ist unsere heutige Aufgabe, und ebenso ist es unsere heutige Aufgabe, die Freiheit zur Organisation, zur Aufklärung zu erzwingen. Im Interesse der herrschenden Klassen aber liegt es, uns diese Freiheit zu gewähren, denn ein naher Umschwung ist außer Frage. Nicht um das Ob, auch nicht um das Wann handelt es sich, sondern nur um das Wie. Soll dieser Umschwung zu einer Änderung des Produktionssystems oder soll er nur zu einer nächsten Plünderung und Ermordung der Besitzenden führen? Die Beantwortung dieser Frage durch die Weltgeschichte wird von der Haltung der Besitzenden selbst abhängen.
[9].
In der Bernstein’schen Schrift ist eben alles Mögliche enthalten: Sozialistisches und Unsozialistisches, überall stoßen wir neben durchaus Richtigem, das jedoch nie neu ist, au Lehren und Aussprüche, die genau das Gegentheil von sozialistischen Anschauungen sind. Bernstein ist voller Widersprüche, aber das Unsozialistische wiegt vor und die praktische Konsequenz seiner Darlegungen würde sein, dass in der That die Sozialdemokratie zu einer bürgerlichen Reformpartei wird.
[10].
Ebenfalls im Frühjahr 1862 hielt Lassalle in Berlin ‑ im Handwerkerverein der Oranienburger Vorstadt, dem Maschinenbauerviertel Berlins ‑ noch einen zweiten Vortrag, dem er den Titel gab: "Über den besonderen Zusammenhang der Idee des Arbeiterstandes mit der gegenwärtigen Geschichtsperiode". Auch diesen Vortrag hatte er vorher sorgfältig ausgearbeitet. Und er ist, wenngleich in Einzelheiten nicht einwandfrei ‑ schon der Titel fordert zur Kritik heraus ‑ unzweifelhaft eine der besten, wenn nicht die beste der Lassalleschen Reden. Eine ebenso klare wie schöne Sprache, gedrungene, flüssige, nirgends überladene und doch nie trockene Darstellung, von Satz zu Satz fortschreitende systematische Entwicklung des Grundgedankens, sind ihre formellen Vorzüge, während sie ihrem Inhalte nach ‑ wie gesagt, mit einigen Einschränkungen ‑ eine vortreffliche Einleitung in die Gedankenwelt des Sozialismus genannt werden kann. Es nimmt ihrem Werte nichts, wenn ich sie als eine, der Zeit und den Umständen, unter denen sie gehalten wurde, angepaßte Umschreibung des "Kommunistischen Manifestes" bezeichne; sie führt in der Hauptsache an der Hand konkreter Beispiele aus, was im historischen Teil des Manifestes in großen Zügen bereits vorgezeichnet ist. Noch immer spielen freilich die Hegelsche Ideologie und die juristische Auffassungsweise in die Darstellung hinein, aber neben ihnen tritt doch auch, wie das übrigens im Vortrag über Verfassungswesen gleichfalls geschieht, die Betonung der ökonomischen Grundlagen der Bewegung der Geschichte in den Vordergrund. Daß die Arbeiter vermöge ihrer Klassenlage in der modernen bürgerlichen Gesellschaft die eigentliche revolutionäre Klasse bilden, diejenige Klasse, die berufen ist, die Gesellschaft auf eine neue Grundlage zu stellen ‑ die Grundidee des kommunistischen Manifestes ‑ ist auch der leitende Gedanke des "Arbeiterprogramms", unter welchem Namen der Vortrag später in Druck erschienen ist.
[11].
Diese Frage bedingt eine andere: Was ist Demokratie?
Die Antwort hierauf scheint sehr einfach, auf den ersten Blick möchte man sie mit der Übersetzung: "Volksherrschaft" für abgethan halten. Aber schon ein kurzes Nachdenken sagt uns, daß damit nur eine ganz äußerliche, rein formale Definition gegeben ist, während fast Alle, die heute das Wort Demokratie gebrauchen, darunter mehr wie eine bloße Herrschaftsform verstehen. Viel näher werden wir der Sache kommen, wenn wir uns negativ ausdrücken und Demokratie mit Abwesenheit von Klassenherrschaft übersetzen, als Bezeichnung eines Gesellschaftszustandes, wo keiner Klasse ein politisches Privilegium gegenüber der Gesammtheit zusteht. Damit ist denn auch schon die Erklärung gegeben, warum eine monopolistische Korporation im Prinzip antidemokratisch ist. Diese negative Erklärung hat außerdem den Vortheil, daß sie weniger als das Wort Volksherrschaft dem Gedanken der Unterdrückung des Individuums durch die Mehrheit Raum giebt, der dem modernen Bewußtsein unbedingt widerstrebt. Wir finden heute die Unterdrückung der Minderheit durch die Mehrheit "undemokratisch", obwohl sie ursprünglich mit der Volksherrschaft durchaus vereinbar gehalten wurde. In dem Begriff Demokratie liegt eben für die heutige Auffassung eine Rechtsvorstellung eingeschlossen: die Gleichberechtigung aller Angehörigen des Gemeinwesens, und an ihr findet die Herrschaft der Mehrheit, worauf in jedem konkreten Fall die Volksherrschaft hinausläuft, ihre Grenze. Je mehr sie eingebürgert ist und das allgemeine Bewußtsein beherrscht, um so mehr wird Demokratie gleichbedeutend mit dem höchstmöglichen Grad von Freiheit für Alle.
[…]
Die Demokratie ist prinzipiell die Aufhebung der Klassenherrschaft, wenn sie sie noch nicht die faktische Aufhebung der Klassen ist. Man spricht vom konservativen Charakter der Demokratie, und in gewisser Hinsicht mit Recht. Der Absolutismus oder Halb-Absolutismus täuscht seine Träger wie seine Gegner über den Umfang ihres Könnens. Daher in Ländern, wo er herrscht oder seine Traditionen noch bestehen, die überfliegenden Pläne, die forcirte Sprache, die Zickzackpolitik, die Furcht vor Umsturz und die Hoffnung auf Unterdrückung. In der Demokratie lernen die Parteien und die hinter ihnen stehenden Klassen bald die Grenzen ihrer Macht kennen und sich jedesmal nur so viel vornehmen, als sie nach Lage der Umstände vernünftigerweise hoffen können, durchzusetzen. Selbst wenn sie ihre Forderungen etwas höher spannen, als im Ernst gemeint, um beim unvermeidlichen Kompromiß ‑ und die Demokratie ist die Hochschule des Kompromisses ‑ ablassen zu können, geschieht es mit Maß. So erscheint in der Demokratie selbst die äußerste Linke meist in konservativem Lichte, und die Reform, weil gleichmäßiger, langsamer als sie in Wirklichkeit ist. Aber doch ist ihre Richtung unverkennbar. Das Wahlrecht der Demokratie macht seinen Inhaber virtuell zu einem Theilhaber am Gemeinwesen, und diese virtuelle Theilhaberschaft muß auf die Dauer zur thatsächlichen Theilhaberschaft führen. Bei einer, der Zahl und Ausbildung nach unentwickelten Arbeiterklasse kann das allgemeine Wahlrecht lange als das Recht erscheinen, den "Metzger" selbst zu wählen, mit der Zahl und Erkenntniß der Arbeiter wird es jedoch zum Werkzeug, die Volksvertreter aus Herren in wirkliche Diener des Volkes zu verwandeln. Wenn die englischen Arbeiter bei Parlamentswahlen für Mitglieder der alten Parteien stimmen und so formell als der Schwanz der Bourgeoisparteien erscheinen, so ist es bei alledem in den industriellen Wahlkreisen weit mehr dieser "Schwanz", der den Kopf zum Wackeln bringt, wie umgekehrt. Ganz abgesehen davon, daß die Wahlrechtserweiterung von 1884 im Verein mit der Reform der Gemeindevertretungen der Sozialdemokratie in England Bürgerrecht als politische Partei erworben hat.
[12].
Deutschlands ökonomische Lage und soziale Gliederung machten seine unmittelbare Umwälzung in ein völlig sozialistisches Gemeinwesen unmöglich. Ganz abgesehen von einer starken Bauernschaft, mit der die Republik noch weniger nach Laune umspringen konnte, als die Bolschewisten mit den russischen Muschiks, gab es noch Millionen von bürgerlichen Gewerbetreibenden, deren sie gleichfalls nicht entbehren konnte. Selbst unter normalen Verhältnissen wäre Angesichts dieser Sachlage der Ausschluß des gesamten Bürgertums von der Teilnahme an der Regierung ein Fehler gewesen, der sich bald bitter gerächt hätte. Gar bald hätte sich gezeigt, was Lassalle’s Darlegung in seinem glänzenden Vortrag über Verfassungswesen zu bedeuten hat, daß unentbehrliche oder nicht zu beseitigende Gesellschaftsklassen "auch ein Stück Verfassung"[13] sind. Um so mehr traf das unter den furchtbaren wirtschaftlichen Verhältnissen zu, die das Kaisertum als Folge seiner verruchten Macht- und Prestigepolitik der Republik hinterlassen hatte. Die Republik konnte wohl mit bestimmten bürgerlichen Parteien und Klassen, nicht aber mit allen den Kampf aufnehmen, ohne sich in eine unhaltbare Lage zu bringen. Sie konnte die große, auf sie gefallene Last nur tragen, wenn sie erhebliche Teile des Bürgertums an ihrem Bestand und ihrer gedeihlichen Entwicklung interessierte. Selbst wenn die Sozialdemokratie bei den Wahlen zur Nationalversammlung die ziffermäßige Mehrheit erhalten hätte, wäre die Heranziehung der bürgerlich-republikanischen Parteien zur Regierung ein Gebot der Selbsterhaltung der Republik gewesen. Sie war aber auch zugleich eine Lebensnotwendigkeit für Deutschland als Nation.
[14].
Der Spartakusbund hatte am 7. Oktober 1918 in Gotha eine Konferenz abgehalten, auf der er sich für die Politik der russischen Bolschewisten ‑ diktatorische Regierung durch Arbeiter- und Soldatenräte ‑ entschied und allerorts für die Bildung solcher Räte zu arbeiten beschloß. Obwohl an Mitgliedern nicht sonderlich stark, war er unter den gegebenen Umständen doch ein beachtenswerter Faktor. In gespannter Situation kann auch eine kleine Minderheit, der ein bestimmter Wille und eine gute. Dosis Entschlußkraft innewohnen, eine erhebliche Wirkung ausüben. An letzteren Eigenschaften fehlte es den meist jugendlichen Spartakusanhängern nicht, und da sie an verschiedenen Orten von Bedeutung vertreten waren und ihnen nun eine bestimmte Aktion vorgezeichnet war, die alsbald in die Wirklichkeit umgesetzt werden sollte, wird man ihre Einwirkung auf den Ausbruch der Revolution und die ersten Äußerungen der aufgebotenen Massen nicht als unwesentlich einschätzen dürfen. Gewiß ist die bolschewistische Doktrin nur der Phrase nach marxistisch, im Wesen aber blanquistisch. Indes die blanquistische Auffassung ist, wie Schreiber dieses schon 1899 in der Schrift "Die Voraussetzungen des Sozialismus" dargelegt hat, nicht in allen Punkten falsch. Sie hat unter bestimmten Voraussetzungen für begrenzte politische Zwecke ihre Richtigkeit, und auf Grund ihrer unternommene Aktionen haben daher auch manche Erfolge zu verzeichnen gehabt. Hier aber waren für eine solche Aktion alle Voraussetzungen gegeben.
[15].
Es tut mir leid, auf dieser Konferenz zu einer Streitfrage sprechen zu müssen. Aber ich halte es für nötig, das Wort zu ergreifen, weil die Frage des Bolschewismus, die für die englischen Sozialisten, für die französischen Sozialisten und für die Sozialisten vieler anderer Länder eine mehr oder weniger abstrakte oder theoretische Frage ist, für uns in Deutschland in höchstem Maße eine praktische Frage ist, die Frage vielleicht von Leben und Tod unserer Revolution, unserer neuen Republik. Genosse Kautsky hat zu Beginn seiner Rede Einspruch erhoben dagegen, daß man den Bolschewismus mit der Revolution und dem Proletariat identifiziere, einander gleichsetze. Ich kann mich dem nur anschließen, denn der Bolschewismus ist im besten Falle eine bestimmte Form der Revolution oder eine bestimmte Phase, aber niemals die Revolution. Der Bolschewismus ist nur eine bestimmte Phase, aber nicht eine schöne, denn womit beginnt diese Phase? Die bolschewistische Regierung ist die erste sozialistische Regierung gewesen, die auf friedlich demonstrierende Arbeiter mit Maschinengewehren hat schießen lassen. Die bolschewistische Regierung ist es gewesen, die Sozialisten anderer Meinung, die keine Putschisten waren, einfach ohne Recht und unter Rechtsbruch einstecken ließ, sie ihrer Rechte beraubte, alles Sachen, die sonst die reaktionären Regierungen getan haben. Ich bin erstaunt, an einem Sozialistenkongreß, der doch sonst für alle Rechte der Bürger eintritt, keine Worte der Entrüstung zu hören darüber, daß man in Rußland Sozialisten, Genossen vieler internationaler Kongresse, die ihr Leben lang für den Sozialismus gekämpft haben, eingesteckt und ihrer Rechte beraubt hat. Im Frühjahr 1918, als im deutschen Reichstag unsern deutschen Sozialisten von den Reaktionären die Bolschewiki vorgehalten wurden und ihnen gesagt wurde, da seht Ihr Eure Leute, wie die einstecken, wie die die Pressefreiheit unterdrücken, hat unser Freund Haase das Wort ergriffen und die Bolschewisten verteidigt. Dafür ist er dann von einem Bolschewisten heruntergerissen worden, der ihm sagte, nein, jawohl, wir unterdrücken, wir stecken ein, wir tun das alles, wir haben zweierlei Recht und zweierlei Moral. Die Bolschewisten haben wohl eine Entschuldigung, indem sie sagen, ja, die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre waren eben die Konterrevolutionäre. Das kann man aber leicht behaupten, in Wahrheit aber waren die Bolschewisten die Konterrevolutionäre. Sie waren das in Rußland und sind es in Deutschland. Sie mögen sich noch so wild, noch so radikal, noch so zerstörerisch bewegen, niemals ist die Zerstörung allein schon die Revolution. Das System der Bolschewiki ist in der Tat der Tod der Errungenschaften der Revolution, ihr System ist die Desorganisation, ist die Zerrüttung, ist der Ruin des Landes gewesen.
[…]
Es ist eine falsche Auslegung eines Marx’schen Satzes, die die Bolschewiki leitet. Weil Marx eine bestimmte Theorie in der Entwicklung gekennzeichnet hat, die in gewissem Sinne die Diktatur des Proletariats darstellt, haben die Bolschewiki diese Pflanze genommen und aufgepfropft auf einen Zustand, der viel unreifer war, der absolut nicht geschaffen war für das, was die Bolschewiki in Rußland haben machen wollen. Und weil sie das getan haben, weil sie an einem geschwächten Körper haben Experimente machen wollen, die kaum der stärkste Körper vertragen kann, haben sie den Körper vollständig ruiniert und zugrunde gerichtet.
[16].
In Bausch und Bogen alles für nationalisiert erklären und dann hinterdrein drangehen die Bedingungen dafür zu schaffen heißt das Pferd beim Schwanz aufzäumen, heißt ein Übergangsstadium schaffen, in dem kapitalistische Produktion nicht mehr und sozialistische noch nicht möglich ist, ein Stadium, in dem eine rationelle Produktion überhaupt nicht möglich ist. Es heißt vorübergehend die Produktion zum Stocken bringen. Eine solche Art Sozialismus gerade jetzt im Moment der Demobilisierung durchführen oder auch nur fordern hieße Deutschland in ein Tollhaus verwandeln.
Auf die Frage des Soldatenrats des Feldheeres an Legien, was die Hauptaufgabe in der Situation vor dem Rätekongreß sei, antwortet dieser u. a.:
"Gemeinsame Arbeit zur Fortführung und zum Wiederaufbau unserer Wirtschaft, zunächst auf dem gegebenen Boden des Privatbesitzes an Grund und Boden und den Produktionsmitteln. Ist der Fortgang der Volkswirtschaft gesichert, dann Überführung ihrer hierfür reifen Zweige und Unternehmungen in den Gemeinbesitz des Volkes. Das kann nicht nach theoretischen Erwägungen, sondern nach praktischer Prüfung dessen geschehen, was dem Volke am besten dient. Die Sozialisierung einer durch die Kriegswirtschaft erschütterten und desorganisierten Volkswirtschaft ist nicht möglich."
(Bericht. Den Abgeordneten des Feldheeres auf der ersten Tagung der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin am 16. Dezember 1918 überreicht vom Vollzugsausschuß des Soldatenrats des Feldheeres bei der OHL, S. 32).
[18].
Der Sozialismus will dem Volke wiedergeben, was sich Kapitalisten und Grundherren auf Kosten des Volkes angeeignet haben. Die Enteignung derer, die bisher das Volk enteignet haben, die Expropriation der Expropriateure, ist darum die erste Voraussetzung einer sozialistischen Gesellschaft. Aber was heute in Frage steht, das ist nicht mehr, ob sich die Expropriation vollziehen, sondern wie sie sich vollziehen soll. Sie kann und soll sich nicht vollziehen in der Form einer brutalen Konfiskation des kapitalistischen und grundherrlichen Eigentums; denn in dieser Form könnte sie sich nicht anders vollziehen als um den Preis einer gewaltigen Verwüstung der Produktionsmittel, die die Volksmassen selbst verelenden, die Quellen des Volkseinkommens verschütten würde. Die Expropriation der Expropriateure soll sich vielmehr in geordneter, geregelter Weise vollziehen; so vollziehen, daß der Produktionsapparat der Gesellschaft nicht zerstört, der Betrieb der Industrie und Landwirtschaft nicht gehemmt wird. Zu dem wichtigsten Mittel einer solchen geregelten Expropriation können die Steuern werden.
[19].
Endgültige Krise des Kapitalismus? Was sollen wir aus der gegenwärtigen ökonomischen Krise für Schlußfolgerungen für den Bestand des kapitalistischen Systems ziehen? Einige Genossen glauben, die Zeichen dafür sehen zu können, daß es sich diesmal nicht mehr um eine der zyklusmäßigen Krisen des kapitalistischen Systems handelt, sondern daß wir die entscheidende Krise des kapitalistischen Systems vor uns haben, die endgültige Krise, die mit dem Zusammenbruch des Kapitalismus enden müsse. In der Partei ist ja ernsthaft die Zusammenbruchstheorie schon längst nicht mehr vertreten worden. Das ist natürlich kein absolut schlüssiger Gegenbeweis, daß nun nicht doch die kapitalistische Wirtschaft in eine Sackgasse geraten sein könnte, aus der es ein Herauskommen nicht mehr gibt, außer durch eine vollständige Umwandlung des Systems. Ich glaube aber, daß man mit solchen Prophezeiungen sehr vorsichtig sein muß, weil ja möglicherweise die Tatsachen selbst früher oder später den Gegenbeweis liefern konnten. Die gegenwärtige Krise ist zweifellos umfangreicher und in ihren Wirkungen tiefer als alle früheren Krisen. Das erklärt sich zu einem Teil aus dem Eingriff des Weltkriegs in das ganze Getriebe der Weltwirtschaft. Es erklärt sich auch daraus, daß die Verbundenheit der Volkswirtschaften in der Weltwirtschaft sehr viel enger geworden ist. Es erklärt sich weiter aus den künstlichen Störungen durch die Politik und Reparationszahlungen, und schließlich auch durch die Strukturwandlungen innerhalb des kapitalistischen Systems. Die Krise muß auch schon deswegen schwerer sein, weil eine Industrierrise mit einer Agrarkrise zusammengefallen ist, was wir bisher nur einmal in der Weltwirtschaftsgeschichte erlebt haben.
Trotz dieser noch nie dagewesenen Häufung von Krisenursachen glaube ich, daß die Wirtschaft die Wege finden wird, die wieder zum Aufstieg fuhren, und ich befinde mich damit, soweit ich übersehen kann, in Ubereinstimmung mit ziemlich allen Wirtschaftstheoretikern in unseren Reihen. Die starke Senkung der Zinssätze und der Rohstoffpreise sind nach allen früheren Krisenerfahrungen auch schon die sichtbaren Anzeichen dafür, daß ein Umschwung sich vorbereitet, was natürlich noch nichts über die Zeitdauer sagt.
Nun stehen wir ja allerdings am Krankenlager des Kapitalismus nicht nur als Diagnostiker, sondern auch ja, was soll ich da sagen? — als Arzt, der heilen will?, oder als fröhlicher Erbe, der das Ende nicht erwarten kann und am liebsten mit Gift noch etwas nachhelfen möchte? (Heiterkeit.) In diesem Bild drückt sich unsere ganze Situation aus. (Sehr gut!) Wir sind nämlich, wie mir scheint, dazu verdammt, sowohl Arzt zu sein, der ernsthaft heilen will, und dennoch das Gefühl aufrechtzuerhalten, daß wir Erben sind, die lieber heute als morgen die ganze Hinterlassenschaft des kapitalistischen Systems in Empfang nehmen wollen. Diese Doppelrolle, Arzt und Erbe, ist eine verflucht schwierige Aufgabe. (Sehr richtig!) Wir könnten uns in der Partei manche Auseinandersetzung ersparen, wenn wir uns dieser Doppelrolle immer bewußt bleiben würden. Aber wir sind es nicht immer. Manchmal glaubt der eine, die Notlage derjenigen, die davon abhängen, daß der Patient gesund wird, erfordere, alles zu tun, um den Patienten zu heilen; der andere meint, jetzt, wo er schon röchelt, sei es richtig, ihm den Gnadenstoß zu geben.
Der Patient selbst barmt uns gar nicht so sehr, aber die Massen, die dahinter stehen. (Sehr richtig!) Wenn der Patient röchelt, hungern die Massen draußen. (Sehr richtig!) Wenn wir das wissen und eine Medizin kennen, selbst wenn wir nicht überzeugt sind, daß sie den Patienten heilt, aber sein Röcheln wenigstens lindert, so daß die Massen draußen wieder mehr zu essen bekommen, dann geben wir ihm die Medizin und denken im Augenblick nicht so sehr daran, daß wir doch Erben sind und sein baldiges Ende erwarten.
Ich will die Frage nicht aufwerfen, ob denn, wenn wir mit dem Gedanken spielen wollten, die Gelegenheit zum totalen Zusammenbruch zu benutzen, um diesen Zusammenbruch gewaltsam herbeizuführen und zu beschleunigen, in der gegenwartigen Krise durch einen vollständigen Zusammenbruch wirklich die kapitalistische Wirtschaftsordnung erledigt wäre. Ich könnte mir denken, daß etwas anderes zusammenbricht als das kapitalistische System. Diese Frage brauchen wir aber nicht weiter zu prüfen, sondern die andere:
Was bedeutet denn überhaupt ein Zusammenbruch der Wirtschaft, von dem in radikalen Kreisen die Rede ist ‑ ich denke dabei an die Kommunisten. (Heiterkeit.) Welche Borstellungen verbinden sich mit dieser Zusammenbruchsidee? Ich wundere mich, daß mir niemand zuruft: Wir haben doch schon den Zusammenbruch der Wirtschaft!! Ja, den haben wir, aber er reicht doch offenbar noch nicht aus, um das kapitalistische System zu erledigen. Wir müssen also einen ganz anderen Zusammenbruch haben, der etwas noch viel Schlimmeres bedeutet, als wir im Augenblick erleben. Wenn ich an die heutigen Leiden der Massen draußen denke, diese Leiden noch unerhört vermehren wollen, das können wir ja gar nicht! (Sehr richtig!) Und wenn wir den Mut dazu fänden, dann wären wir bald eine Bewegung ohne Arbeiterklasse. (Sehr richtig!)
Denn man soll sich darüber keinen Täuschungen hingeben: Wenn man die Empfindungen, die die deutsche Arbeiterklasse, wenn auch manchmal nur im Unterbewußtsein, hat, ganz genau untersucht, dann will die organisierte Arbeiterschaft den Sturz des kapitalistischen Systems, aber sie will nicht den Zusammenbruch der Wirtschaft. (Lebhafte Zustimmung.) Sie will den Sozialismus als eine Verbesserung ihrer Lage, nicht aber als eine noch weitere Verschlechterung. (Lebhaftes Händeklatschen.)
[20].
[Friedrich Adler:] Ich erinnere mich an ein Gespräch. das ich mit Karl Kautsky in den Jugendjahren Otto Bauers, als er noch an der Universität war, führte. Ich lebte damals in Zürich und kannte Otto Bauer noch nicht, während er mit Kautsky durch seine Mitarbeit an der "Neuen Zeit" in persönliche Verbindung gekommen war. Damals sagte mir Kautsky: "So stelle ich mir den jungen Marx vor".
[21].
Als der Sozialismus erst daranging, die Arbeitermassen zum Klassenbewußtsein zu erwecken, zum Klassenkampf zu schulen, in die ersten großen Klassenkämpfe zu führen, lehrte er die Arbeiter, den Staat, gegen den sie zu kämpfen hatten, als den Klassenstaat der Bourgeoisie, die Staatsregierung als einen Vollzugsausschuß der herrschenden Klassen verstehen. Und er ermutigte und begeisterte die Arbeitermassen durch die Verkündigung, daß der Tag der Revolution kommen wird, an dem der Staat aus einem Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie zur Niederhaltung des Proletariats zu einem Herrschaftsinstrument des Proletariats zur Niederwerfung der Bourgeoisie werden wird. Es entsprach den seelischen Bedürfnissen des erst erwachenden, sich erst organisierenden, erst in den Kampf tretenden Proletariats, den Bedürfnissen der Schulung des jungen Proletariats, daß die Staatslehre des Sozialismus in ihrer landläufigen populären Darstellung keinen anderen Staat kannte als den Klassenstaat: den gegenwärtigen Klassenstaat der Bourgeoisie als die Staatsform der kapitalistischen Gesellschaftsordnung; den kommenden Klassenstaat des Proletariats als das Mittel zu ihrer Überwindung.
Aber die feinere theoretische Analyse des Marxismus kannte auch damals schon andere Staatswesen. Sie wußte, daß aus den Klassenkämpfen zeitweilig Situationen hervorgehen, in denen, wie Engels es in seinem Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates ausdrückte, "die kämpfenden Klassen einander das Gleichgewicht halten". Ist keine Klasse mehr imstande, die andere niederzuwerfen und niederzuhalten, dann hört die Staatsgewalt auf, ein Herrschaftsinstrument einer Klasse zur Beherrschung der anderen Klassen zu sein. Die Staatsgewalt verselbständigt sich dann gegenüber den Klassen, sie tritt allen Klassen als selbständige Macht gegenüber, sie unterwirft sich alle Klassen. Das war, nach Marxens und Engels’ Darstellung, der Ursprung der absoluten Monarchie im 17. und 18., des Bonapartismus im 19. Jahrhundert.
Auch das Ergebnis der deutschösterreichischen Revolution war ein Zustand, in dem "die kämpfenden Klassen einander das Gleichgewicht halten". Der Gleichgewichtszustand der Klassenkräfte war hier vom Anfang an begründet in dem Machtverhältnis zwischen dem großen Industriegebiet Wiens, Niederösterreichs, der Obersteiermark einerseits, das nicht gegen die Arbeiter, und dem großen Agrargebiet der anderen Bundesländer anderseits, das nicht gegen die Bauern zu regieren war; vom Anfang an begründet in dem Widerspruch zwischen der starken Macht des Proletariats im Lande und der völligen Ohnmacht des Landes gegenüber den kapitalistischen Mächten außerhalb unserer Grenzen. Aber in dem ersten Jahre der Republik war das Kräfteverhältnis durch die mächtige revolutionäre Spannung in den Massen zugunsten des Proletariats verschoben; das Proletariat konnte daher zwar nicht seine Alleinherrschaft, aber immerhin seine Vorherrschaft aufrichten. In dem Maße aber, in dem einerseits unter dem Drucke der Ergebnisse der Klassenkämpfe im Auslande, anderseits unter der Wirkung der Wiederbelebung des kapitalistischen Wirtschaftslebens im Lande selbst die revolutionäre Spannung in den Massen überwunden wurde, stellte sich der Gleichgewichtszustand zwischen den Klassenkräften her.
Aber dieser Gleichgewichtszustand führte hier nicht, wie so oft vorher in der Geschichte, zur Verselbständigung der Staatsmacht gegenüber den Klassen, nicht zur Unterwerfung aller Klassen unter einen Absolutismus oder Bonapartismus. Vom Ausland wirtschaftlich abhängig, dem Ausland gegenüber militärisch ohnmächtig, von fremder Intervention und Okkupation bedroht, konnten die Klassen hier ihren Kampf nicht bis zur gewaltsamen Entscheidung steigern. Sie mußten von Tag zu Tag immer neue Kompromisse miteinander schließen. So führte hier das Gleichgewicht der Klassenkräfte nicht dazu, daß alle Klassen von der verselbständigten Staatsmacht unterworfen wurden, sondern dazu, daß alle Klassen hier die Staatsmacht untereinander teilen mußten.
Diese Teilung der Macht zwischen den Klassen fand ihren Ausdruck bis zum Oktober 1920 in der Koalitionsregierung, die die Klassen zu gemeinsamer Herrschaft vereinigte, später, nach den Wahlen vom Oktober 1920, in der Machtverteilung zwischen der bürgerlichen Regierung und der bürgerlichen Parlamentsmehrheit einerseits, der auf starke parlamentarische und vor allem außerparlamentarische Machtpositionen gestützten, die bürgerliche Regierung wirksam beeinflussenden, kontrollierenden, einschränkenden Sozialdemokratie anderseits. Sie fand ihren Ausdruck in der Kombination der parlamentarischen Demokratie, die die Regierungsgewalt der Bourgeoisie überantwortete, und der funktionellen Demokratie, die die Regierungsgewalt bei den wichtigsten Regierungsakten abhängig machte von dem Einverständnis und der Mitwirkung proletarischer Organisationen. Sie fand ihren Ausdruck in der Organisation des Bundesheeres, die die Kommandogewalt des bürgerlich gesinnten Offizierskorps durch die sozialistische Gesinnung und Organisation der Wehrmänner und die Befugnisse ihrer Soldatenräte begrenzte, und in den Machtverhältnissen zwischen den bürgerlichen Selbstschutzverbänden einerseits,. der proletarischen Ordnerorganisation anderseits, die einander in Schach hielten.
Die Republik wurde seit dem Oktober 1920 von einer bürgerlichen Regierung, von einer bürgerlichen Parlamentsmehrheit regiert. Trotzdem war sie kein Klassenstaat der Bourgeoisie, keine Bourgeoisrepublik. Die starken Machtpositionen des Proletariats im Heer, in der Ordnerorganisation, in den lebensnotwendigen Verkehrsbetrieben setzten der Macht der bürgerlichen Regierung enge Schranken. Sie konnte es nicht wagen, die Arbeiterklasse zum Entscheidungskampfe herauszufordern. Sie konnte nicht anders regieren als durch tägliche Kompromisse mit der Vertretung der Arbeiterklasse im Parlament und mit den proletarischen Organisationen außerhalb des Parlaments. In allen großen Krisen dieser Periode, in der Zeit des Kapp-Putsches, des Osterputsches Karl Habsburgs, der Burgenlandkrise konnte die Arbeiterklasse den Kurs der bürgerlichen Regierung mächtig beeinflussen.
Die Arbeiterklasse war eine starke Macht in der Republik. Trotzdem war die Republik kein Klassenstaat des Proletariats, keine proletarische Republik. Die Arbeiterklasse konnte die kapitalistische Wirtschaftsverfassung, auf der das Staatswesen ruhte, nicht aufheben. Die Arbeiterklasse konnte zwar die politische Macht der Bourgeoisie eng einschränken, aber nicht die Macht an sich reißen. Die ganze wirtschaftliche Entwicklung der Republik, die Aufhebung der Kriegswirtschaft, die Wiederherstellung der kapitalistischen Handelsfreiheit vor allem bedeutete die Wiederherstellung der Wirtschaftsverfassung der Bourgeoisie.
Die Republik war also weder eine Bourgeoisrepublik noch eine proletarische Republik. Sie war weder ein Instrument der Klassenherrschaft der Bourgeoisie über das Proletariat noch ein Instrument der Klassenherrschaft des Proletariats über die Bourgeoisie. Die Republik war in dieser Phase kein Klassenstaat, das heißt kein Instrument der Herrschaft einer Klasse über die andere Klasse, sondern ein Ergebnis des Kompromisses zwischen den Klassen, ein Resultat des Gleichgewichts der Klassenkräfte. Wie die Republik im Oktober 1918 aus einem Contrat social, aus einem staatsbildenden Vertrag der drei großen Parteien, die die drei großen Klassen der Gesellschaft vertraten, entstanden ist, so lebte sie nur in täglichen Kompromissen zwischen den Klassen.
Die Revolution von 1918 hat die politischen und rechtlichen Klassenprivilegien der herrschenden Klassen zertrümmert. Einige der Republiken, die aus der Revolution von 1918 hervorgegangen sind, so die ungarische und die westukrainische, haben sich damals "Volksrepubliken" genannt. Sie wollten damit sagen, daß nunmehr, nach der Zertrümmerung der Klassenprivilegien, das Volk als Ganzes seine Regierung in seine Hand nehme. Aber hier war die Phrase der Volksrepublik nur der Ausdruck einer kleinbürgerlichen Illusion. Durch die Aufhebung der politischen und rechtlichen Klassenprivilegien werden die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Die Demokratie überwindet die Klassenkämpfe nicht, sondern sie bringt sie erst zur vollen Entfaltung. Die Rechtsordnung, die Regierung und Parlament aus allgemeinen Volkswahlen hervorgehen läßt, hindert nicht, daß die allgemeinen Volkswahlen selbst Regierung und Parlament einer Klasse ausliefern, sie zum Instrument ihrer Herrschaft über die anderen Klassen machen. Die parlamentarische Demokratie des allgemeinen Wahlrechts hebt die Klassenherrschaft nicht auf, sie gibt der Klassenherrschaft nur die Weihe der Bestätigung durch die Volksgesamtheit.
Nicht im Sinne dieser kleinbürgerlichen Illusion, sondern in einem ganz anderen Sinne können wir die Republik, wie sie in Österreich vom Herbst 1919 bis zum Herbst 1922 bestand, eine Volksrepublik nennen. Diese Republik war keine Bourgeoisrepublik, in der die Bourgeoisie das Proletariat zu beherrschen vermocht hätte, wie sie es in der französischen oder in der amerikanischen Bourgeoisrepublik beherrscht. Sie war aber auch keine Proletarierrepublik, in der das Proletariat die Bourgeoisie beherrscht hätte, wie es die Bourgeoisie in der russischen oder in der ungarischen Proletarierrepublik zu beherrschen versucht hat. Es war eine Republik, in der keine Klasse stark genug war, die anderen Klassen zu beherrschen, und darum alle Klassen die Staatsmacht untereinander, miteinander teilen mußten. So hatten tatsächlich alle Klassen des Volkes an der Staatsmacht ihren Anteil, war tatsächlich die Wirksamkeit des Staates die Resultierende der Kräfte aller Klassen des Volkes; deshalb können wir diese Republik eine Volksrepublik nennen.
Die kleinbürgerliche Illusion glaubt, die Volksrepublik werde dadurch verwirklicht, daß sich das Volk über die Klassengegensätze in seinem. Schoß erhebt, die einzelnen Klassen des Volkes dem Kampf gegeneinander entsagen. In Wirklichkeit geht die Volksrepublik gerade aus dem Klassenkampf hervor, dann hervor, wenn das Ergebnis des Klassenkampfes ein Zustand ist, in dem "die kämpfenden Klassen einander das Gleichgewicht halten". Die kleinbürgerliche Illusion glaubt die Volksrepublik schon durch die parlamentarische Demokratie gesichert, da sie ja Parlament und Regierung aus Wahlen des ganzen Volkes hervorgehen läßt. In Wirklichkeit ist die Volksrepublik keineswegs durch die Rechtsinstitutionen der parlamentarischen Demokratie verbürgt, aus denen vielmehr ebensogut die Alleinherrschaft einer Klasse hervorgehen kann. Nicht aus der formalen Rechtsgleichheit der Demokratie, sondern nur aus realer Machtgleichheit der kämpfenden Klassen geht die Volksrepublik hervor. Sie war in Österreich 1919 bis 1922 nicht das Resultat der parlamentarischen Demokratie, sondern gerade umgekehrt das Resultat der funktionellen Demokratie, durch die die parlamentarische Demokratie begrenzt und berichtigt wurde: das Resultat der außerparlamentarischen Macht des Proletariats, die die parlamentarische Mehrheit der Bourgeoisie hinderte, ihre Klassenherrschaft aufzurichten. Die kleinbürgerliche Illusion hält die Volksrepublik für die dauernde Aufhebung der Klassengegensätze; in Wirklichkeit ist die Volksrepublik ein zeitweiliges Ergebnis der Klassenkämpfe, nur das Resultat zeitweiligen Gleichgewichtszustandes zwischen den Kräften der kämpfenden Klassen.
In der Tat kann ein solcher Gleichgewichtszustand keine Klasse dauernd befriedigen. Jede Klasse strebt über den Zustand des Gleichgewichts der Klassenkräfte hinweg zu einem Zustand, in dem sie herrschen kann, hin.
Die Bourgeoisie liebt es immer und überall, ihre Klassenherrschaft als Selbstregierung des ganzen Volkes, ihre Republik, die Bourgeoisrepublik als die wahre Volksrepublik hinzustellen. Wo aber wirklich ein Gleichgewichtszustand der Klassenkräfte die Staatsmacht auf alle Klassen verteilt, dort lehnt sich gerade die Bourgeoisie mit aller Leidenschaft gegen die Volksrepublik auf. Sie hat sich in Österreich 1919 bis 1922 mit der Volksrepublik nie abgefunden, war während der ganzen Periode der Volksrepublik von schlimmster Staatsverdrossenheit erfüllt. Sie hat in dieser ganzen Periode dem Staat alle Opfer für die Ordnung seiner zerrütteten Finanzen verweigert, hat den für die Sicherung der bedrohten Ostgrenze unerläßlichen Ausbau des Bundesheeres sabotiert, hat immer wieder die Missionen ausländischer Großmächte zur Einmengung in die inneren Angelegenheiten der Republik aufgefordert, hat bald mit Budapest, bald mit München gegen die Republik konspiriert, hat bald auf die Restauration der Habsburger, bald auf den Abfall ihrer Länder vom Bund ihre Hoffnung gesetzt. Und als die Erfahrungen der Habsburgerputsche und der Anschlußabstimmungen sie zwangen, sich mit der Republik vorerst abzufinden, forderte sie immer stürmischer unter dem Schlagwort der "Wiederherstellung der Staatsautorität", das heißt der Autorität der Bourgeoisregierung, die Verwandlung der Volksrepublik in eine Bourgeoisrepublik.
Auch das Proletariat war mit dem Gleichgewichtszustand der Klassenkräfte keineswegs zufrieden. Die Bewegung gegen die Koalitionspolitik, die 1920 durch die Massen ging, war nichts anderes als der Ausdruck der Enttäuschung der Arbeiterklasse darüber, daß sie ihre Vorherrschaft nicht hatte behaupten können, der Unzufriedenheit damit, daß an die Stelle ihrer Vorherrschaft ein Zustand des Gleichgewichts der Kräfte trat. Aber das Verhältnis des Proletariats zur Volksrepublik war doch ein ganz anderes als das der Bourgeoisie. Als die Volksrepublik von der Konterrevolution bedroht war, erhob sich das Proletariat zum Schutze der Volksrepublik.
In der Zeit der Kämpfe um das Burgenland war das Verhältnis der Klassen zur Volksrepublik am anschaulichsten zu erkennen. In den Wochen der Gefahr ging eine mächtige Welle republikanischen Patriotismus durch die Arbeitermassen. Das Proletariat forderte schnellen Ausbau des Bundesheeres zum Schutze der bedrohten Grenze; die Bourgeoisregierung sabotierte ihn. Tausende Proletarier meldeten sich freiwillig zum Heeresdienst; die Bourgeoisregierung zögerte, sie aufzunehmen. Mitten in der Burgenlandkrise veröffentlichte die Sozialdemokratie ihren Finanzplan; die Bourgeoisregierung weigerte sich, so hohe Steuern, so große Opfer aller Volksklassen zu fordern, wie das Proletariat sie vorschlug. Die Verteilung der Rollen zwischen der Regierung und der Opposition war völlig verkehrt worden: die staatlichen Notwendigkeiten, die sonst in aller Welt die Regierung gegen den Widerstand der Opposition durchsetzen muß, hier mußte sie die Opposition gegen den Widerstand der Regierung durchsetzen!
Die Bourgeoisie konnte es nicht verwinden, daß sie das Proletariat nicht mehr wie bis 1918 beherrschen konnte, daß sie die tatsächliche Macht im Staat mit dem Proletariat teilen mußte; daher ihre Staatsverdrossenheit. Das Proletariat betrachtete es schon als gewaltigen Fortschritt, daß es nicht, mehr wie bis 1918 bloßes Objekt der Gesetzgebung und Verwaltung war, sondern sich einen wesentlichen Anteil an der tatsächlichen Macht im Staat erobert hatte; daher sein republikanischer Enthusiasmus. War die Macht in der Republik zwischen allen Klassen geteilt, so sicherte doch nicht der Wille der regierenden Bourgeoisie, sondern nur die Entschlossenheit des in Opposition stehenden Proletariats die Existenz der Republik.
Eine Republik, in der keine Klasse stark genug war, die anderen Klassen zu beherrschen, und darum die tatsächliche Macht zwischen allen Klassen des Volkes geteilt sein mußte; diese Republik, geführt von einer verdrossenen Bourgeoisie, die, republikanisch wider Willen, wider ihren, Willen unter der mächtigen Kontrolle des Proletariats in republikanischen Formen regieren mußte; diese Republik, getragen und gesichert von der republikanischen Gesinnung, der republikanischen Opferwilligkeit, dem republikanischen Enthusiasmus des Proletariats ‑ das war die Volksrepublik in Österreich.
Wenn alle Klassen an der Staatsmacht Anteil haben, alles Regieren tägliche Kompromisse zwischen widerstreitenden Klasseninteressen voraussetzt, dann arbeitet der Staatsmechanismus langsam, schwerfällig, mit großen Reibungen. Trotzdem war das Ergebnis der zweijährigen Periode des Gleichgewichts der Klassenkräfte, die wir bisher dargestellt haben, der Periode vom Herbst 1919 bis zum Herbst 1921, vom Abschluß der Friedensverhandlungen bis zum Abschluß der Burgenlandkrise, nicht gering. Wirtschaftlich war diese Periode charakterisiert durch die Wiederbelebung der Industrie und des Handels, die einerseits die Massennot der Zeit des Kriegsendes überwand, die Lebenshaltung der Arbeiterklasse beträchtlich verbesserte, anderseits aber die staatliche Organisation der Kriegswirtschaft sprengte und die rein kapitalistische Wirtschaftsverfassung wiederherstellte. Sozial war diese Periode charakterisiert durch die Lösung der sozialen Erregungszustände der Demobilisierungszeit, durch die Rückführung der arbeitslosen Massen in die Produktion, durch die Wiederherstellung der Arbeitsdisziplin und die allmähliche Steigerung der Arbeitsintensität in den Produktionsstätten. Das politische Ergebnis dieser Periode war die Konsolidierung der Republik. Sie hat in der Zeit der zweiten Koalitionsregierung ihre Heeresverfassung, in der Zeit der Proporzregierung ihre Bundesverfassung empfangen. Sie wurde in der Zeit der beiden ersten bürgerlichen Regierungen dadurch gefestigt, daß die Erfahrungen der beiden Habsburgerputsche die Aussichtslosigkeit einer Restauration der Habsburger, die Erfahrungen der Anschlußbewegung der Länder die Aussichtslosigkeit eines Abfalles der Länder erwiesen hatten. In der burgenländischen Krise hat die Republik ihre endgültigen Grenzen erlangt, die zwei Jahre lang drohende Gefahr eines Krieges mit Ungarn überwunden und die Stärke der moralischen Energien, die zur Verteidigung der Republik entschlossen waren, kennengelernt. So war aus einem losen Bündel auseinander strebender, von revolutionären Erschütterungen durchwühlter Länder, die nach dem Abfall der slawischen Nationen vom Reiche übriggeblieben waren, allmählich ein Staat geworden.
Aber wenn sich die Republik auch wirtschaftlich und politisch gefestigt halte, so wurde ihre Existenz doch durch die Zerrüttung ihrer Finanzen untergraben. Die Burgenlandkrise hatte der Entwertung der Krone neuen Anstoß gegeben. Der immer weiter, immer schneller fortschreitende Vorfall des Geldwertes drohte die Republik in eine Währungskatastrophe zu stürzen, die ihrem Bestand gefährlicher werden konnte als die Banden Pronajs und die Bataillone Osztenburgs. Nach der Lösung der großen politischen Probleme mußten alle Kräfte auf die Abwehr der drohenden wirtschaftlichen Gefahr konzentriert werden. Mitten in der Burgenlandkrise halte die Sozialdemokratie schon die Parole zu diesem neuen Kampfe ausgegeben. Am 1. Oktober 1921 hatten wir unseren Finanzplan veröffentlicht. Damit wurde der Kampf gegen die drohende Währungskatastrophe begonnen.
[22].
In der Tat kann ein solcher Gleichgewichtszustand keine Klasse dauernd befriedigen. Jede Klasse strebt über den Zustand des Gleichgewichts der Klassenkräfte hinweg zu einem Zustand, in dem sie herrschen kann, hin.
[23].
Und da der ökonomische Prozeß selbst die Machtverhältnisse zwischen den Klassen immer wieder verschiebt, kommt schließlich unvermeidlich der Augenblick, in dem das Gleichgewichtsverhältnis aufgehoben wird und nur noch die Wahl bleibt zwischen dem Rückfall unter die Klassenherrschaft der Bourgeoisie und der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat. Wie die Bourgeoisie durch die Periode des Gleichgewichtes zwischen Grundaristokratie und Bourgeoisie hindurchgehen mußte, ehe sie die Staatsgewalt erobern und die ganze Rechtsordnung dem Kapitalismus anpassen konnte, so wird das Proletariat durch die Periode des Gleichgewichtes zwischen Bourgeoisie und Proletariat nur hindurchgehen, um schließlich die Staatsgewalt zu erobern und die sozialistische Gesellschaftsordnung zu verwirklichen.
[24].
1. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei hat die Wahlrechtsprivilegien der besitzenden Klassen gesprengt, die Monarchie gestürzt, die demokratische Republik begründet. In der Monarchie hat die Dynastie, die Generalität, die Bürokratie geherrscht; nur die obersten Schichten der Bourgeoisie ‑ der Großgrundbesitz und die Hochfinanz ‑ hatten tatsächlich Anteil an ihrer Herrschaft. In der demokratischen Republik hat sich die Gesamtheit der Bourgeoisie der Staatsgewalt bemächtigt.
Anderseits hat die demokratische Republik der Arbeiterklasse politische Gleichberechtigung und Bewegungsfreiheit gegeben, ihre geistigen Kräfte und ihr Selbstbewußtsein gewaltig entwickelt. Die Arbeiterklasse stürmt gegen die Klassenherrschaft der Bourgeoisie in der Republik an.
Die Geschichte der demokratischen Republik ist die Geschichte der Klassenkämpfe zwischen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse um die Herrschaft in der Republik.
In der demokratischen Republik beruht die politische Herrschaft der Bourgeoisie nicht mehr auf politischen Privilegien, sondern darauf, daß sie mittels ihrer wirtschaftlichen Macht, mittels der Macht der Tradition, mittels der Presse, der Schule und der Kirche die Mehrheit des Volkes unter ihrem geistigen Einfluß zu erhalten vermag. Gelingt es der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, diesen Einfluß zu überwinden, die manuellen und die geistigen Arbeiter in Stadt und Land zu vereinigen und der Arbeiterklasse die ihr nahestehenden Schichten der Kleinbauernschaft, des Kleinbürgertums, der Intelligenz als Bundesgenossen zu gewinnen, so gewinnt die sozialdemokratische Arbeiterpartei die Mehrheit des Volkes. Sie erobert durch die Entscheidung des allgemeinen Wahlrechtes die Staatsmacht.
So werden in der demokratischen Republik die Klassenkämpfe zwischen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse im Ringen der beiden Klassen um die Seele der Volksmehrheit entschieden. Im Verlauf dieser Klassenkämpfe kann der Fall eintreten, daß die Bourgeoisie nicht mehr und die Arbeiterklasse noch nicht stark genug ist, allein die Republik zu beherrschen. Aber die Kooperation einander feindlicher Klassen, zu der sie eine solche Situation zwingt, wird nach kurzer Zeit durch die innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft unaufhebbaren Klassengegensätze gesprengt. Die Arbeiterklasse wird nach jeder solchen Episode unter die Herrschaft der Bourgeoisie zurückfallen, wenn es ihr nicht gelingt, selbst die Herrschaft in der Republik zu erobern. Eine solche Kooperation der Klassen kann also nur eine vorübergehende Entwicklungsphase im Klassenkampf um die Staatsmacht, aber nicht das Ziel dieses Kampfes sein. Hat die sozialdemokratische Arbeiterpartei in der ersten Epoche ihres Kampfes die demokratische Republik erkämpft, so hat sie nunmehr die Aufgabe, die demokratischen Kampfmittel auszunützen, um die Mehrheit des Volkes unter der Führung der Arbeiterklasse zu sammeln und dadurch die Klassenherrschaft der Bourgeoisie zu stürzen, der Arbeiterklasse die Herrschaft in der demokratischen Republik zu erobern.
Die sozialdemokratische Arbeiterpartei erstrebt die Eroberung der Herrschaft in der demokratischen Republik, nicht um die Demokratie aufzuheben, sondern um sie in den Dienst der Arbeiterklasse zu stellen, den Staatsapparat den Bedürfnissen der Arbeiterklasse anzupassen und ihn als Machtmittel zu benützen, um dem Großkapital und dem Großgrundbesitz die in ihrem Eigentum konzentrierten Produktions- und Tauschmittel zu entreißen und sie in den Gemeinbesitz des ganzen Volkes zu überführen.
2. Die Bourgeoisie wird nicht freiwillig ihre Machtstellung räumen. Findet sie sich mit der ihr von der Arbeiterklasse aufgezwungenen demokratischen Republik ab, solange sie die Republik zu beherrschen vermag, so wird sie versucht sein, die demokratische Republik zu stürzen, eine monarchistische oder faschistische Diktatur aufzurichten, sobald das allgemeine Wahlrecht die Staatsmacht der Arbeiterklasse zu überantworten droht oder schon überantwortet haben wird.
Nur wenn die Arbeiterklasse wehrhaft genug sein wird, die demokratische Republik gegen die monarchistische oder faschistische Gegenrevolution zu verteidigen, nur wenn das Bundesheer und die anderen bewaffneten Korps des Staates auch dann die Republik schützen werden, wenn die Macht in der Republik durch die Entscheidung des allgemeinen Wahlrechtes in die Hand der Arbeiterklasse fällt, nur dann wird es die Bourgeoisie nicht wagen können, sich gegen die Republik aufzulehnen, nur dann wird daher die Arbeiterklasse die Staatsmacht mit den Mitteln der Demokratie erobern und ausüben können. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei muß daher die Arbeiterklasse in ständiger organisierter geistiger und physischer Bereitschaft zur Verteidigung der Republik erhalten, die engste Geistesgemeinschaft zwischen der Arbeiterklasse und den Soldaten des Bundesheeres pflegen, sie ebenso wie die anderen bewaffneten Korps des Staates zur Treue zur Republik erziehen und dadurch der Arbeiterklasse die Möglichkeit erhalten, mit den Mitteln der Demokratie die Klassenherrschaft der Bourgeoisie zu brechen.
Wenn es aber trotz allen diesen Anstrengungen der sozialdemokratischen Arbeiterpartei einer Gegenrevolution der Bourgeoisie gelänge, die Demokratie zu sprengen, dann könnte die Arbeiterklasse die Staatsmacht nur noch im Bürgerkrieg erobern.
3. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei wird die Staatsmacht in den Formen der Demokratie und unter allen Bürgschaften der Demokratie ausüben. Die demokratischen Bürgschaften geben die Gewähr dafür, daß die sozialdemokratische Regierung unter ständiger Kontrolle der unter der Führung der Arbeiterklasse vereinigten Volksmehrheit handeln und dieser Volksmehrheit verantwortlich bleiben wird. Die demokratischen Bürgschaften werden es ermöglichen, den Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung unter den günstigsten Bedingungen, unter ungehemmter, tätigster Teilnahme der Volksmasse zu vollziehen.
Wenn sich aber die Bourgeoisie gegen die gesellschaftliche Umwälzung, die die Aufgabe der Staatsmacht der Arbeiterklasse sein wird, durch planmäßige Unterbindung des Wirtschaftslebens, durch gewaltsame Auflehnung, durch Verschwörung mit ausländischen gegenrevolutionären Mächten widersetzen sollte, dann wäre die Arbeiterklasse gezwungen, den Widerstand der Bourgeoisie mit den Mitteln der Diktatur zu brechen.
4. Die Arbeiterklasse erobert die Herrschaft in der demokratischen Republik, nicht um eine neue Klassenherrschaft aufzurichten, sondern um jede Klassenherrschaft aufzuheben. In dem Maße, als die Staatsmacht der Arbeiterklasse die Kapitalisten und die Großgrundbesitzer enteignet, die in ihrem Eigentum konzentrierten Produktions- und Tauschmittel in den Gemeinbesitz des ganzen Volkes überführt, wird die Scheidung des Volkes in ausbeutende und ausgebeutete Klassen, werden damit Klassenherrschaft und Klassenkampf überwunden werden; damit erst wird sich die Demokratie aus der letzten Form der Klassenherrschaft in die Selbstregierung des nicht mehr in gegensätzliche Klassen gespaltenen Volkes, wird sich der Staat aus einem Werkzeug der Klassenherrschaft in das Gemeinwesen der vereinigten Volksgemeinschaft verwandeln.
[25].
Die marxistische Lehre vom Staate und von der Demokratie, wie wir sie bisher auseinandergesetzt haben, hat im letzten Jahrzehnt eine eigenartige Bekämpfung erfahren, in welcher sie als überlebt dargestellt wird. Man hält sie nämlich durch die moderne staatliche Entwicklung für widerlegt, da diese zu einer immer größeren Interessiertheit des Proletariates am Staate geführt habe. Diese an sich richtige Konstatierung wird mit einer Abschwächung des Klassengegensatzes, ja der Notwendigkeit seiner Überbrückung gleichgesetzt. Und diese Auffassung sieht sich nun unter anderem auch durch eine bedeutungsvolle Lehre unterstützt, durch die Lehre vom Gleichgewicht der Klassenkräfte, an die sie aber nur sehr mißverständlich anknüpfen kann. […]
Es sind hauptsächlich zwei gründliche Mißverständnisse, die dazu führen, die Lehre vom Klassengleichgewicht direkt in ihr Gegenteil zu verkehren: daß das Gleichgewicht der Klassenkräfte in sich schließe eine Ausgleichung der Klassengegensätze, und daß die Phase des Gleichgewichtes der Klassenkräfte ein Dauerzustand sei, welcher nur der Ausdruck der erreichten Höhe der Demokratie wäre, so daß diese Phase sich immer mehr zu einer Epoche der gesellschaftlichen Harmonie und dadurch des Überganges zum Sozialismus herausgestalten werde. […]
Und schließlich ist dies das Entscheidende, was das richtig verstandene Wesen des Gleichgewichtszustandes der Klassenkräfte ausmacht, daß er kein Dauerzustand sein kann, sondern eben durch die Kräfte, die sich in Schach halten, beständig nach der einen oder anderen Seite hinübergedrängt wird.
[26]:
Daher funktioniert die politische Demokratie zwar scheinbar als bloßer Abstimmungsmechanismus bei allen Fragen, welche die herrschenden Schichten nicht in ihren Lebensinteressen bedrohen, offenbart aber sofort ihren eigentlichen Charakter als Unterdrückungsmechanismus, sobald dies der Fall ist. Dann hebt die Majorität, und zwar kraft der Demokratie, eben weil sie die Majorität ist, die Verfassung auf, verkündet den Ausnahmezustand und das Standrecht, ernennt außerordentliche Kommissäre, wie dies alles zum Beispiel in England während des Generalstreiks geschehen ist ‑ kurz, es zeigt sich, daß das Wesen der politischen Demokratie die Diktatur einer Klasse über die andere kraft Majoritätsentscheid es ist.
[27].
Es war also im Grunde immer das, was wir in diesem Buche als den eigentlichen Sinn der Demokratie darlegen, die Idee der sozialen Demokratie, der solidarischen Gesellschaft, was die Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht und nach der Republik als den "Volksstaat" mit dem Feuer des politischen Idealismus durchglühte. So war es schon in der ersten Arbeiterbewegung für das allgemeine Wahlrecht, im Chartismus, der dadurch zur ersten sozialistischen Massenbewegung wurde, und so auch wieder in der Agitation Lassalles, bei dem die Idee des allgemeinen Wahlrechtes zugleich den Aufruf zur Umgestaltung des Staates durch "die Idee des Arbeiterstandes" bedeutete.
3. György Lukács et la notion de "dictature démocratique"
[28].
A. Demokratische Diktatur
[…]
a) Es muß unter den Arbeitern gegen den durch die Enttäuschung über die der Politik der Sozialdemokratischen Partei entstandenen Nihilismus in der Frage der bürgerlichen Demokratie vorgegangen werden. Die Auffassung des Marxismus: die bürgerliche Demokratie ist das tauglichste Kampffeld für das Proletariat ‑ muß unter den Parteimitgliedern populär gemacht werden. Es sollte begriffen werden, daß das Zustandekommen eines solchen Kampffeldes ernster, revolutionärer Auseinandersetzungen bedarf. Die Erfahrungen der Revolution 1917 in Rußland und 1918/1919 in Ungarn müssen hierbei beachtet und populär gemacht werden. (Lenin sagte im Frühjahr 1917: "Rußland stellt die progressivste Demokratie der Welt dar.")
b) Bereits im voraus muß man gegen jede Auffassung ankämpfen, die behauptet, daß eine demokratische Diktatur eine Regierungsform des Übergangs zwischen dem Bethlen-Regime und der Diktatur des Proletariats sei ‑ sozusagen, daß gegenwärtig das Bethlen-Regime existiere, dann werden wir die demokratische Diktatur erkämpfen, und wenn wir diese ausgebaut und verwirklicht haben, dann wird erst die Zeit der Diktatur des Proletariats anbrechen. Die Formen einer demokratischen Diktatur können sehr verschieden sein. Anfang 1917 hatte Lenin Kamenew gegenüber, der die Partei an die Form der demokratischen Diktatur von 1905 nageln wollte, betont, daß am Anfang der Revolution von 1917 die demokratische Diktatur unter ganz bestimmten Formen verwirklicht wurde: Eine dieser Formen war eine durch Arbeiter- und Soldatenräte gebildete Gegenregierung. Die demokratische Diktatur also, als eine vollkommene Verwirklichung der bürgerlichen Demokratie, ist im strengen Sinne des Wortes ein Schlachtfeld, ein Feld des alles entscheidenden Kampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Freilich ist sie zugleich auch das wichtigste Mittel des Kampfes, eine Möglichkeit, die breitesten Massen anzusprechen, sie zu spontaner revolutionärer Aktion anzuspornen und zu führen sowie die organisatorischen und ideologischen Formen zu lockern, durch deren Hilfe die Bourgeoisie unter "normalen Umstanden" die breiten Massen des arbeitenden Volkes desorganisiert; die demokratische Diktatur ist eine Möglichkeit, jene organisatorischen Formen zu schaffen, durch deren Hilfe die breiten Massen der Arbeiter ihre Interessen der Bourgeoisie gegenüber zur Geltung bringen. Die demokratische Diktatur ist auf der gegenwärtigen Entwicklungsstufe prinzipiell mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Macht der Bourgeoisie unvereinbar, obwohl der ausdrückliche Klasseninhalt ihrer konkreten Zielsetzung und ihrer unmittelbar zu verwirklichenden Forderungen nicht über den Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft hinausgeht, ja sogar die vollkommene Verwirklichung der bürgerlichen Demokratie ist. (1793 stand die Verwirklichung einer vollständigen Demokratie noch in keinem prinzipiellen Gegensatz zur Macht des Kapitalismus, sie förderte diesen sogar.) Deshalb ist sowohl in der Kerenskyschen als auch in der Karolyischen Revolution mit Notwendigkeit die Situation eingetreten, daß die Bourgeoisie die "entwickelteste Demokratie", die dem Ausbruch der Revolution folgte, kurzerhand abzubauen versuchte und danach strebte, die die Macht des Kapitalismus sichernde "normale Demokratie" so schnell wie möglich wiederherzustellen – jenen Zustand also, in dem der wiederhergestellte Staatsapparat, die gesellschaftlichen Organisationen, die wirtschaftliche Überlegenheit der Bourgeoisie usw. die Spontaneitat der Massen wieder aufheben, in dem die Massen durch die Bourgeoisie und deren Agenten, in erster Linie durch die Sozialdemokratie, wieder desorganisiert werden.
[29].
Die demokratische Diktatur ist also, obwohl sie in ihrem unmittelbaren, konkreten Inhalt nicht über die bürgerliche Gesellschaft hinausgeht, eine dialektische Übergangsform zur Revolution des Proletariats ‑ oder zur Konterrevolution. Ein Stehenbleiben bei der demokratischen Diktatur, verstanden als eine festgelegte, in der "Verfassung fixierte" Entwicklungsperiode, würde notwendig den Sieg der Konterrevolution bedeuten. Die demokratische Diktatur kann deshalb nur als der konkrete Übergang, durch den die bürgerliche Revolution in die Revolution des Proletariats umschlägt, verstanden werden. "Es gibt keine chinesische Mauer zwischen bürgerlicher Revolution und der Revolution des Proletariats (Lenin)."
c) Deshalb müssen den Parteimitgliedern die gegensätzlichen Funktionen der bürgerlichen Demokratie sehr genau verständlich gemacht werden. Es muß deutlich unterschieden werden, ob in dieser Demokratie die Bourgeoisie die politisch herrschende Klasse ist, oder ob sie ‑ bei Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Ausbeutung ‑ die Macht wenigstens zum Teil den breiten Massen der Arbeiter überläßt. Im erste Fall ist eine Funktion der Demokratie, die arbeitenden Massen zerstreuen, irrezuführen und zu desorganisieren; im zweiten Fall, die Aufrechterhaltung der politischen und wirtschaftlichen Macht der Bourgeoisie zu untergraben, zu desorganisieren und die arbeitend Massen zu selbständigem Handeln zu organisieren. Die Kommunisten müssen also im Hinblick auf den Wert oder die Wertlosigkeit der Demokratie die Frage so stellen: Die Macht welcher Klasse wird durch die Demokratie desorganisiert? Hat sie vom Standpunkt der Bourgeoisie her eine konsolidierende oder destruktive Wirkung? (Der "Kampf" der Sozialdemokratie um demokratische Reformen ging immer Zeichen einer Konsolidierung im Interesse der Vorbeugung vor einer Revolution vonstatten.) Alle Losungen der demokratischen Diktatur müssen also von diesem Standpunkt aus, vom Standpunkt der Mobilisierung der Massen und der Desorganisierung der Bourgeoisie, beurteilt werden. So z. B. die dann aktuell werdende proletarische Kontrolle der Produktion. Dabei dürfen nicht Illusionen dergestalt, daß die Kontrolle auf die Produktion selbst irgendeine "konsolidierende" Wirkung haben könnte, gehegt werden. Die Entlarvung der Sabotage de Bourgeoisie, eventuell nur deren Unterbindung, ist lediglich als Kampf um die Macht, als ein Instrument zur Mobilisierung der Massen von einem gewissen Wert.
[30].
Wenn wir die Geschichte der letzten Jahrzehnte verstehen wollen ‑ indem wir den Standpunkt aufrechterhalten, der weltgeschichtlich grundlegende Gegensatz unserer Epoche sei der zwischen Kapitalismus und Sozialismus ‑ so müssen wir jetzt erkennen, daß es seit Lenins Tod zwei Perioden gab, in welchen die Strategie des Kampfes um den Fortschritt nicht direkt von dieser Frage bestimmt wurde. Kurz nach Lenins Tod bildete sich auf der ganzen Welt die Front des Faschismus und des Antifaschismus heraus. Von Einzelheiten will ich hier nicht sprechen, aber ich glaube, im Lichte unseres heutigen marxistischen Wissens ist es klar zu sehen: Zahllose strategische Fehler unserer Partei stammen daher, daß wir die Wahrheiten von 1917 und des auf 1917 unmittelbar folgenden revolutionären Abschnitts ‑ sie entstanden in der Sowjetunion im Kampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat um die unmittelbare Macht und während der Kämpfe im Zusammenhang mit der Intervention ‑ ohne jede Kritik, ohne Überprüfung der neuen Situation einfach in eine Periode übernahmen, deren grundlegendes strategisches Problem nicht der unmittelbare Kampf um den Sozialismus, sondern ein Kräftemessen zwischen Faschismus und Antifaschismus war. Hierher gehört, was Stalin am Ende der zwanziger Jahre von den Sozialdemokraten als den Zwillingsbrüdern der Faschisten gesagt hat und was dann auch bis zum VII. Kongreß der Komintern ein Hindernis für jede Volksfrontpolitik war; Stalins großer Irrtum resultierte ohne Zweifel daraus, daß er die Widersprüchlichkeit in diesen großen strategischen Problemen nicht erkannte. Nach dem zweiten Weltkrieg, nach der Niederlage des Faschismus tauchte abermals ein neues Problem dieses Charakters auf. Auch davon brauche ich hier nicht im einzelnen zu sprechen. Wir wissen, es ist die Rede von Frieden und Krieg, von Verhinderung des Krieges, vom Problem der Koexistenz. Hieraus ergeben sich die grundlegenden strategischen Fragen unserer Epoche.
4. Georges Dimitrov et la "république démocratique de type nouveau"
[31].
Die in der Volksfront verbundenen Parteien, Richtungen, Organisationen, Gruppen und Personen erklären als den wichtigsten Staatsgrundsatz, daß das neue Reich eine demokratische Republik sein wird, in der das Volk frei über alle Fragen der Wirtschaft, der Innen- und Außenpolitik des Landes entscheidet und die Regierung durch eine Entscheidung des werktätigen Volkes auf Grund des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts bestimmt wird.
[32].
Diese Republik wird in der gegenwärtigen Übergangsetappe der internationalen Verhältnisse bei Existenz des Sowjetstaates und der Sowjetdemokratie auf der einen Seite und der Staaten der bürgerlichen Demokratie, wie in England und Amerika, und bei Existenz der faschistischen Diktatur, ein besonderer Staat mit einer echten Volksdemokratie sein. Das wird noch kein Sowjetstaat sein, aber ein antifaschistischer, linksgerichteter Staat, an dem der wirklich linksgerichtete Teil der Bourgeoisie beteiligt sein wird. […] Hier steht die Frage der Organisierung der Produktion, ohne endgültige Abschaffung des privatkapitalistischen Eigentums. Die Organisierung der Produktion unter Teilnahme und Kontrolle der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten im Kampf gegen den Faschismus, d. h. des Kleinbürgertums und der Bauernschaft. Theoretisch müßte man das vielleicht richtig als eine besondere Form der demokratischen Diktatur der Arbeiterklasse und der Bauernschaft in der gegenwärtigen Etappe bezeichnen. Das muß man klarmachen, nicht aber von der Beseitigung der Gutsbesitzer sprechen, schon gar nicht zu reden über die Beseitigung der Industriellen als Klasse usw. Das müßt Ihr unermüdlich erläutern, weil meiner Meinung nach das, was gegenwärtig in Spanien vor sich geht, morgen oder übermorgen, in der allernächsten Periode auch in anderen Ländern, in Frankreich, in Belgien und möglicherweise in Holland, geschehen kann.
[33].
Das ZK der KPD wiederholt ausdrücklich vor allen Sozialdemokraten, Katholiken, Demokraten, vor allen verantwortungsbewußten Deutschen, daß die Politik der Kommunistischen Partei Deutschlands fest und gradlinig darauf gerichtet ist, in engster Gemeinschaft mit allen fried- und freiheitliebenden Deutschen Hitler zur stürzen und an die Stelle der Hitlerdiktatur eine vom ganzen Volk frei gewählte Volksregierung in einer neuen, demokratischen Republik zu setzen.
Die Berner Konferenz der KPD erklärt, daß die Rettung Deutschlands vor der Katastrophenpolitik des Hitlerregimes die Unterordnung der Sonderinteressen aller Hitlergegner unter das Gesamtinteresse der deutschen Nation erheischt.
[…]
Die Politik der Volksfront und die Schaffung einer neuen, demokratischen Republik bedeuten nicht den Verzicht der Arbeiterklasse auf den Kampf um den Sozialismus. In einem Volksfrontdeutschland werden die sozialistischen und kommunistischen Arbeiter und ihre Organisationen die volle Freiheit haben, die Mehrheit des Volkes für das sozialistische Ziel zu gewinnen.
II. Marx et Engels au sujet de F. Lassalle
[34].
Dieser vierte Stand, in dessen Herzfalten daher kein Keim einer neuen Bevorrechtung mehr enthalten ist, ist eben deshalb gleichbedeutend mit dem ganzen Menschengeschlecht. Seine Sache ist daher in Wahrheit die Sache der gesamten Menschheit, seine Freiheit ist die Freiheit der Menschheit selbst, seine Herrschaft ist die Herrschaft aller.
[35].
Der Arbeiterstand ist nur ein Stand unter den mehreren Ständen, welche die bürgerliche Gesellschaft zusammensetzen. Auch hat es zu jeder Zeit Arbeiter gegeben.
[…]
Arbeiter sind wir alle, insofern wir nur eben den Willen haben, uns in irgend einer Weise der menschlichen Gesellschaft nützlich zu machen.
[36].
Man kann nie eine Revolution machen; man kann immer nur einer Revolution, die schon in den tatsächlichen Verhältnissen einer Gesellschaft eingetreten ist, auch äußere rechtliche Anerkennung und konsequente Durchführung geben.
[37].
Wer also die Idee des Arbeiterstandes als das herrschende Prinzip der Gesellschaft anruft, in dem Sinne, wie ich Ihnen dies entwickelt, der stößt nicht einen die Klassen der Gesellschaft spaltenden und trennenden Schrei aus; der stößt vielmehr einen Schrei der Versöhnung aus, einen Schrei, der die ganze Gesellschaft umfaßt, einen Schrei der Ausgleichung für alle Gegensätze in den gesellschaftlichen Kreisen, einen Schrei der Einigung, in den alle einstimmen sollten, welche Bevorrechtung und Unterdrückung des Volkes durch privilegierte Stände nicht wollen, einen Schrei der Liebe, der, seitdem er sich zum ersten Male aus dem Herzen des Volkes emporgerungen, für immer der wahre Schrei des Volkes bleiben, und um seines Inhalts willen selbst dann noch ein Schrei der Liebe sein wird, wenn er als Schlachtruf des Volkes ertönt.
III. La "communauté solidaire", un camouflage de l’appareil d’état
[38].
Man pflegt mit der Reformation, also mit dem Jahre 1517, das Ende des Mittelalters und den Anbruch der neueren Geschichte zu datieren.
[…]
Durch die Erzeugung und Aufhäufung des Kapitalreichtums des, im Gegensatz zum Grundeigentum, beweglichen Besitzes in den Händen der Bourgeoisie, war der Adel in eine vollkommene Unbedeutendheit, ja bereits in wahre Abhängigkeit von dieser reich gewordenen Bourgeoisie herabgesunken. Bereits mußte er, wollte er sich irgend neben ihr halten, allen seinen Standesprinzipien abtrünnig werden und zu denselben Mitteln des industriellen Erwerbs zu greifen anfangen, welchen die Bourgeoisie ihren Reichtum und somit ihre tatsächliche Macht verdankte.
[…]
Ganz entsprechend diesem Umschwünge hatte sich bereits damals ein Materialismus entwickelt, ein heißhungriges, gieriges Ringen nach Geld und Gut, dem alle sittlichen Ideen, ja, was bei den bevorrechteten Ständen leider in der Regel noch mehr sagen will, selbst alle Standesvorteile* feil waren.
[* So auch in der ersten Auflage. Es muß jedoch unzweifelhaft "Standesvorurteile" heißen. (D. H.)]
[…]
Dabei muß aber sofort die Frage entstehen, ob denn nicht auch in den untersten Klassen Selbstsucht herrsche, oder warum hier weniger. Ja, es muß zunächst als ein überraschender Widerspruch erscheinen, daß in den unteren Ständen eine geringere Selbstsucht herrschen soll als in den höheren, welche vor ihnen Bildung und Erziehung, diese anerkannt sittigenden Element, in einem erheblichen Grade voraus haben.
Der wahrhafte Grund und die Auflösung dieses zunächst so überraschend erscheinenden Widerspruches ist der folgende:
Seit lange geht, wie wir gesehen haben, die Entwicklung der Völker, der Atemzug der Geschichte auf eine immer steigende Abschaffung der Privilegien, welche den höheren Ständen diese ihre Stellung als höhere und herrschende Stände garantieren. Der Wunsch nach Forterhaltung derselben oder das persönliche Interesse bringt daher jedes Mitglied der höheren Stände, das sich nicht ein für allemal durch einen großen Blick über sein ganzes persönliches Dasein erhoben und hinweggesetzt hat ‑ und Sie werden begreifen, meine Herren, daß dies nur immer sehr wenig zahlreiche Ausnahmen sein können ‑ von vornherein in eine prinzipiell feindliche Stellung zu der Entwicklung des Volkes, zu dem Umsichgreifen der Bildung und Wissenschaft, zu den Fortschritten der Kultur, zu allen Atemzügen und Siegen des geschichtlichen Lebens.
Dieser Gegensatz des persönlichen Interesses der höheren Stände und der Kulturentwicklung der Nation ist es, welcher die hohe und notwendige Unsittlichkeit der höheren Stände hervorruft. Es ist ein Leben, dessen tägliche Bedingungen Sie sich nur zu vergegenwärtigen brauchen, um den tiefen inneren Verfall zu fühlen, zu dem es führen muß. Sich täglich widersetzen müssen allem Großen und Guten, sich betrüben müssen über sein Gelingen, über sein Mißlingen sich freuen, seine weiteren Fortschritte aufhalten, seine bereits geschehenen rückgängig machen oder verwünschen zu müssen. Es ist ein fortgesetztes Leben wie in Feindes Land ‑ und dieser Feind ist die sittliche Gemeinschaft des eigenen Volkes, in der man lebt, und für welche zu streben alle wahre Sittlichkeit ausmacht. Es ist ein fortgesetztes Leben, sage ich, wie in Feindesland, dieser Feind ist das eigene Volk, und daß es als der Feind angesehen und behandelt wird, muß noch wenigstens auf die Dauer listig verheimlicht und diese Feindschaft mit mehr oder weniger künstlichen Vorhängen bekleidet werden.
Dazu die Notwendigkeit, dies alles entweder gegen die eigene Stimme des Gewissens und der Intelligenz zu tun, oder aber diese Stimme schon gewohnheitsmäßig in sich ausgerottet zu haben, um nicht von ihr belästigt zu werden, oder endlich diese Stimme nie gekannt, nie etwas Besseres und anderes gekannt zu haben als die Religion des eigenen Vorteils !
Dieses Leben, meine Herren, führt also notwendig zu einer gänzlichen Geringschätzung und Verachtung alles ideellen Strebens, zu einem mitleidigen Lächeln, so oft der große Name der Idee nur ausgesprochen wird, zu einer tiefen Unempfänglichkeit und Widerwilligkeit gegen alles Schöne und Große, zu einem vollständigen Untergang aller sittlichen Elemente in uns in die eine Leidenschaft des selbstsüchtigen Vorurteils und der Genußsucht.
Dieser Gegensatz, meine Herren, des persönlichen Interesses und der Kulturentwicklung der Nation ist es, der bei den unteren Klassen der Gesellschaft zu ihrem Glücke fehlt.
Zwar ist auch in den unteren Klassen leider immer noch Selbstsucht genug vorhanden, viel mehr als vorhanden sein sollte. Aber hier ist diese Selbstsucht, wo sie vorhanden ist, der Fehler der Individuen, der einzelnen, und nicht der notwendige Fehler der Klasse.
Schon ein sehr mäßiger Instinkt sagt den Gliedern der unteren Klassen, daß, sofern sich jeder von ihnen bloß auf sich bezieht und jeder bloß an sich denkt, er keine erhebliche Verbesserung seiner Lage für sich hoffen kann.
Insofern aber und insoweit die unteren Klassen der Gesellschaft die Verbesserung ihrer Lage als Klasse, die Verbesserung ihres Klassenloses erstreben, insofern und insoweit fällt dieses persönliche Interesse, statt sich der geschichtlichen Bewegung entgegenzustellen und dadurch zu jener Unsittlichkeit verdammt zu werden, seiner Richtung nach vielmehr durchaus zusammen mit der Entwicklung des gesamten Volkes, mit dem Siege der Idee, mit den Fortschritten der Kultur, mit dem Lebensprinzip der Geschichte selbst, welche nichts anderes als die Entwicklung der Freiheit ist. Oder, wie wir schon oben sahen, Ihre Sache ist die Sache der gesamten Menschheit.
[39].
Es ist hier an der Zeit, meine Herren, wenn ich nicht Gefahr laufen will, daß mein Vortrag vielleicht großen Mißverständnissen ausgesetzt sei, mich über die Bedeutung, des Wortes Bourgeoisie oder große Bourgeoisie als politischer Parteibezeichnung, mich über die Bedeutung, die das Wort Bourgeoisie in meinem Munde hat, auszusprechen.
In die deutsche Sprache würde das Wort: Bourgeoisie mit Bürgertum zu übersetzen sein. Diese Bedeutung aber hat es bei mir nicht; Bürger sind wir alle, der Arbeiter, der Kleinbürger, der Großbürger usw. Das Wort Bourgeoisie hat vielmehr im Laufe der Geschichte die Bedeutung angenommen, eine ganz bestimmte politische Richtung zu bezeichnen, die ich nun sofort darlegen will.
Die gesamte nicht adlige bürgerliche Klasse zerfiel, als die französische Revolution eintrat, und zerfällt noch heute im großen und ganzen wieder in zwei Unterklassen; nämlich erstens die Klasse derer, welche ganz oder hauptsächlich aus ihrer Arbeit ihr Einkommen beziehen und hierin durch gar kein oder nur durch ein bescheidenes Kapital unterstützt werden, welches ihnen eben die Möglichkeit gibt, eine produktive, sie und ihre Familie ernährende Tätigkeit auszuüben; in diese Klasse gehören also die Arbeiter, die Kleinbürger und Handwerker und im ganzen die Bauern. Und zweitens die Klasse derer, welche über einen großen bürgerlichen Besitz, über das große Kapital verfügen und auf Grund einer solchen großen Kapitalbasis produzieren oder Renteneinkommen daraus beziehen. Man könnte diese die Großbürger nennen. Aber auch ein Großbürger, meine Herren, ist darum an und für sich noch durchaus kein Bourgeois!
Kein Bürgerlicher hat etwas dagegen, wenn ein Adliger sich in seinem Zimmer über seine Ahnen und seinen Grundbesitz freut. Aber wenn der Adlige diese Ahnen oder diesen Grundbesitz zur Bedingung einer besonderen Geltung und Berechtigung im Staat, zur Bedingung einer Herrschaft über den Staatswillen machen will, ‑ dann beginnt der Zorn des Bürgerlichen gegen den Adligen, und er nennt ihn einen Feudalen.
Es verhält sich nur ganz entsprechend mit den tatsächlichen Unterschieden des Besitzes innerhalb der bürgerlichen Welt.
Daß sich der Großbürger in seinem Zimmer der großen Annehmlichkeit und des großen Vorteils erfreue, welche ein großer bürgerlicher Besitz für den Besitzenden in sich schließt, ‑ nichts einfacher, nichts natürlicher und nichts rechtmäßiger als das!
So sehr der Arbeiter und der Kleinbürger, mit einem Worte die ganze nicht Kapital besitzende Klasse, berechtigt ist, vom Staate zu verlangen, daß er sein ganzes Sinnen und Trachten darauf richte, wie die kummervolle und notbeladene materielle Lage der arbeitenden Klassen zu verbessern, und wie auch ihnen, durch deren Hände alle die Reichtümer produziert worden, mit denen unsere Zivilisation prunkt, deren Händen alle die Produkte ihre Entstehung verdanken, ohne welche die gesamte Gesellschaft keinen Tag existieren könnte, zu einem reichlicheren und gesicherten Erwerbe und damit wieder zu der Möglichkeit geistiger Bildung und somit erst zu einem wahrhaft menschenwürdigen Dasein zu verhelfen sei ‑ wie sehr, sage ich, die arbeitenden Klassen auch berechtigt sind, dies vom Staate zu fordern und dies als seinen wahrhaften Zweck hinzustellen, so darf und wird dennoch der Arbeiter niemals vergessen, daß alles einmal erworbene gesetzliche Eigentum vollständig unantastbar und rechtmäßig ist.
Wenn aber der Großbürger, nicht zufrieden mit der tatsächlichen Annehmlichkeit eines großen Besitzes, den bürgerlichen Besitz, das Kapital, auch noch als die Bedingung hinstellen will, an der Herrschaft über den Staat, an der Bestimmung des Staatswillens und Staatszweckes teilzunehmen, dann erst wird der Großbürger zum Bourgeois, dann macht er die Tatsache des Besitzes zur rechtlichen Bedingung der politischen Herrschaft, dann charakterisiert er sich als einen neuen privilegierten Stand im Volke, der nun das herrschende Gepräge seines Privilegiums allen gesellschaftlichen Einrichtungen ebensogut aufdrücken will, wie dies der Adel im Mittelalter, wie wir gesehen haben, mit dem Privilegium des Grundbesitzes getan.
[40].
So sehr der Arbeiter und der Kleinbürger, mit einem Worte die ganze nicht Kapital besitzende Klasse, berechtigt ist, vom Staate zu verlangen, daß er sein ganzes Sinnen und Trachten darauf richte, wie die kummervolle und notbeladene materielle Lage der arbeitenden Klassen zu verbessern, und wie auch ihnen, durch deren Hände alle die Reichtümer produziert worden, mit denen unsere Zivilisation prunkt, deren Händen alle die Produkte ihre Entstehung verdanken, ohne welche die gesamte Gesellschaft keinen Tag existieren könnte, zu einem reichlicheren und gesicherten Erwerbe und damit wieder zu der Möglichkeit geistiger Bildung und somit erst zu einem wahrhaft menschenwürdigen Dasein zu verhelfen sei ‑ wie sehr, sage ich, die arbeitenden Klassen auch berechtigt sind, dies vom Staate zu fordern und dies als seinen wahrhaften Zweck hinzustellen, so darf und wird dennoch der Arbeiter niemals vergessen, daß alles einmal erworbene gesetzliche Eigentum vollständig unantastbar und rechtmäßig ist.
[41].
Die sittliche Idee der Bourgeoisie ist diese, daß ausschließend nichts anderes als die ungehinderte Selbstbetätigung seiner Kräfte jedem einzelnen zu garantieren sei.
Wären wir alle gleich stark, gleich gescheit, gleich gebildet und gleich reich, so würde diese Idee als eine ausreichende und sittliche angesehen werden können.
Da wir dies aber nicht sind und nicht sein können, so ist dieser Gedanke nicht ausreichend und führt deshalb in seinen Konsequenzen notwendig zu einer tiefen Unsittlichkeit. Denn er führt dazu, daß der Stärkere, Gescheitere, Reichere den Schwächeren ausbeutet und in seine Tasche steckt.
Die sittliche Idee des Arbeiterstandes dagegen ist die, daß die ungehinderte und freie Betätigung der individuellen Kräfte durch das Individuum noch nicht ausreiche, sondern daß zu ihr in einem sittlich geordneten Gemeinwesen noch hinzutreten müsse: die Solidarität der Interessen, die Gemeinsamkeit und die Gegenseitigkeit in der Entwicklung.
[42].
Das eherne ökonomische Gesetz, welches unter den heutigen Verhältnissen, unter der Herrschaft von Angebot und Nachfrage nach Arbeit, den Arbeitslohn bestimmt, ist dieses: daß der durchschnittliche Arbeitslohn immer auf den notwendigen Lebensunterhalt reduziert bleibt, der in einem Volke gewohnheitsgemäß zur Fristung der Existenz und zur Fortpflanzung erforderlich ist. Dies ist der Punkt, um welchen der wirkliche Tageslohn in Pendelschwingungen jederzeit herum gravitiert, ohne sich jemals lange weder über denselben erheben, noch unter denselben hinunterfallen zu können. Er kann sich nicht dauernd über diesen Durchschnitt erheben ‑ denn sonst entstände durch die leichtere, bessere Lage der Arbeiter eine Vermehrung der Arbeiterehen und der Arbeiterfortpflanzung, eine Vermehrung der Arbeiterbevölkerung und somit des Angebots von Händen, welche den Arbeitslohn wieder auf und unter seinen früheren Stand herabdrücken würde.
Der Arbeitslohn kann auch nicht dauernd tief unter diesen notwendigen Lebensunterhalt fallen, denn dann entstehen ‑ Auswanderungen, Ehelosigkeit, Enthaltung von der Kindererzeugung und endlich eine durch Elend erzeugte Verminderung der Arbeiterzahl, welche somit das Angebot von Arbeiterhänden noch verringert und den Arbeitslohn daher wieder auf den früheren Stand zurückbringt.
Der wirkliche durchschnittliche Arbeitslohn besteht somit in der Bewegung, beständig um jenen seinen Schwerpunkt, in den er fortdauernd zurücksinken muß, herumzukreisen, bald etwas über demselben (Periode der Prosperität in allen oder einzelnen Arbeitszweigen) bald etwas unter ihm zu stehen (Periode des mehr oder weniger allgemeinen Notstandes und der Krisen).
Die Beschränkung des durchschnittlichen Arbeitslohnes auf die in einem Volke gewohnheitsmäßig zur Fristung der Existenz und zur Fortpflanzung erforderliche Lebensnotdurft ‑ das ist also, ich wiederhole es Ihnen, das eherne und grausame Gesetz, welches den Arbeitslohn unter den heutigen Verhältnissen beherrscht.
[…]
Wie also? Sollte das Prinzip der freien individuellen Assoziation der Arbeiter nicht vermögen, die Verbesserung der Lage des Arbeiterstandes zu bewirken?
Allerdings vermag es das ‑ aber nur durch seine Anwendung und Ausdehnung auf die fabrikmäßige Großproduktion.
Den Arbeiterstand zu seinem eigenen Unternehmer machen ‑ das ist das Mittel, durch welches ‑ und durch welches allein ‑ wie Sie jetzt sofort selbst sehen, jenes eherne und grausame Gesetz beseitigt sein würde, das den Arbeitslohn bestimmt!
Wenn der Arbeiterstand sein eigener Unternehmer ist, so fällt jene Scheidung zwischen Arbeitslohn und Unternehmergewinn und mit ihr der bloße Arbeitslohn überhaupt fort, und an seine Stelle tritt als Vergeltung der Arbeit: der Arbeitsertrag!
[43].
Entsprechend diesem Unterschiede, faßt die Bourgeoisie den sittlichen Staatszweck so auf: er bestehe ausschließend und allein darin, die persönliche Freiheit des einzelnen und sein Eigentum zu schützen.
Dies ist eine Nachtwächteridee, meine Herren, eine Nachtwächteridee deshalb, weil sie sich den Staat selbst nur unter dem Bilde eines Nachtwächters denken kann, dessen ganze Funktion darin besteht, Raub und Einbruch zu verhüten. Leider ist diese Nachtwächteridee nicht nur bei den eigentlichen Liberalen zu Hause, sondern selbst bei vielen angeblichen Demokraten, infolge mangelnder Gedankenbildung, oft genug anzutreffen. Wollte die Bourgeoisie konsequent ihr letztes Wort aussprechen, so müßte sie gestehen, daß nach diesen ihren Gedanken, wenn es keine Räuber und Diebe gebe, der Staat überhaupt ganz überflüssig sei.
Ganz anders, meine Herren, faßt der vierte Stand den Staatszweck auf, und zwar faßt er ihn so auf, wie er in Wahrheit beschaffen ist.
Die Geschichte, meine Herren, ist ein Kampf mit der Natur; mit dem Elende, der Unwissenheit, der Armut, der Machtlosigkeit und somit der Unfreiheit aller Art, in der wir uns befanden, als das Menschengeschlecht im Anfang der Geschichte auftrat. Die fortschreitende Besiegung dieser Machtlosigkeit ‑ das ist die Entwicklung der Freiheit, welche die Geschichte darstellt.
In diesem Kampfe würden wir niemals einen Schritt vorwärts gemacht haben oder jemals weiter machen, wenn wir ihn als einzelne jeder für sich, jeder allein, geführt hätten oder führen wollten.
Der Staat ist es, welcher die Funktion hat, diese Entwicklung der Freiheit, diese Entwicklung des Menschengeschlechts zur Freiheit zu vollbringen.
Der Staat ist diese Einheit der Individuen in einem sittlichen Ganzen, eine Einheit, welche die Kräfte aller einzelnen, welche in diese Vereinigung eingeschlossen sind, millionenfach vermehrt, die Kräfte, welche ihnen allen als einzelnen zu Gebote stehen würden, millionenfach vervielfältigt.
Der Zweck des Staates ist also nicht der, dem einzelnen nur die persönliche Freiheit und das Eigentum zu schützen, mit welchen er nach der Idee der Bourgeoisie angeblich schon in den Staat eintritt; der Zweck des Staates ist vielmehr gerade der, durch diese Vereinigung die einzelnen in den Stand zu setzen, solche Zwecke, eine solche Stufe des Daseins zu erreichen, die sie als einzelne nie erreichen könnten, sie zu befähigen, eine Summe von Bildung, Macht und Freiheit zu erlangen, die ihnen sämtlich als einzelnen schlechthin unersteiglich wäre.
[44].
Eben deshalb ist es Sache und Aufgabe des Staates, Ihnen dies zu ermöglichen, die große Sache der freien individuellen Assoziation des Arbeiterstandes fördernd und entwickelnd in seine Hand zu nehmen und es zu seiner heiligsten Pflicht zu machen, Ihnen die Mittel und Möglichkeit zu dieser Ihrer Selbstorganisation und Selbstassoziation zu bieten.
[45]:
Staatliche Förderung aller von den Arbeitern ausgehenden, selbständigen, genossenschaftlichen Unternehmungen und Aufhören der privatkapitalistischen Ausbeutung der im Betriebe des Staates stehenden Unternehmungen, als Eisenbahnen, Bergwerke, Fabriken.
Notes
[1]. Dieter Dowe, Kurt Klotzbach (Hg.): Programmatische Dokumente der deutschen Sozialdemokratie, Bonn, J. H. W. Dietz Nachf., 1973, p. 137‑139. Ici p. 138.
[2]. D. Dowe, Kurt Klotzbach (Hg.): Programmatische Dokumente…, p. 165‑170. Ici p. 166.
[3]. Ferdinand Lassalle: Das Arbeiterprogramm ‑ über den besonderen Zusammenhang der gegenwärtigen Geschichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes. Vortrag, gehalten in Berlin am 12. April 1862.
In: Ferdinand Lassalle, Gesammelte Reden und Schriften (Eduard Bernstein, Hg.) (Band 2), Berlin, Paul Cassirer, 1919, p. 144‑202. Ici pp. 147, 179, 185‑186, 193‑194, 196.
Dans toutes les citations tirées de l´"Arbeiterprogramm", les italiques correspondent à des mots imprimés en lettres espacées dans l’original.
[4]. F. Lassalle: Das Arbeiterprogramm. Ici p. 197. (Ce passage constitue la suite de celui de la p. 196 cité plus haut.)
[5]. F Lassalle: Das Arbeiterprogramm. Ici p. 187‑188.
[6]. F Lassalle: Das Arbeiterprogramm. Ici p. 185. (Ce passage précède celui de la p. 185 cité plus haut.)
[7]. Ferdinand Lassalle: Offenes Antwortschreiben an das Zentralkomitee zur Berufung eines Allgemeinen deutschen Arbeiterkongresses zu Leipzig. 1. März 1863.
In: Ferdinand Lassalle: Gesammelte Reden und Schriften ((Eduard Bernstein, Hg.) (Band 3), Berlin, Paul Cassirer, 1919, p. 39‑92. Ici pp. 47, 88‑89, 90.
[8]. Karl Kautsky, Manifest, verfaßt im Jahre 1883, unveröffentlicht geblieben.
In: Klaus Berchtold (Hg.): Österreichische Parteiprogramme 1868‑1966, München, Oldenbourg, 1967, p. 130‑134. Ici p. 132‑134.
[9]. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Hannover, 9. bis 14. Oktober 1899. Berlin, Expedition der Buchhandlung Vorwärts, p. 152.
[10]. Eduard Bernstein: Ferdinand Lassalle ‑ eine Würdigung des Lehrers und Kämpfers, Berlin, Paul Cassirer, 1919, p. 160‑161.
[11]. Eduard Bernstein: Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie (1899), Stuttgart, J. H. W. Dietz Nachf., 1902, p. 122, 126.
[12]. Eduard Bernstein: Die deutsche Revolution (Ihr Ursprung, ihr Verlauf und ihr Werk) (Band 1: Geschichte der Entstehung und ersten Arbeitsperiode der deutschen Republik), Berlin, Verlag Gesellschaft und Erziehung, 1921, p. 197‑198.
Les italiques correspondent à des mots imprimés en lettres espacées dans l’original.
[13]. Ferdinand Lassalle: Über Verfassungswesen (Ein Vortrag).
In: Ferdinand Lassalle, Gesammelte Reden und Schriften (Eduard Bernstein, Hg.) (Band 2), Berlin, Paul Cassirer, 1919, p. 7‑61. Ici p. 17.
[14]. E. Bernstein: Die deutsche Revolution… (Band 1), p. 21‑22.
[15]. Gerhard Albert Ritter, Konrad von Zwehl: Die II. Internationale 1918/1919 (Protokolle, Memoranden, Berichte und Korrespondenzen), J. H. W. Dietz Nachf., 1980, S. 552‑553.
[16]. Karl Kautsky: Der Sieger im Weltkrieg, In: Die Freiheit, 17 novembre 1918, cité d’après: Sozialistische Monatshefte, 1918, p. 1123.
[17]. Cf. Eberhard Kolb (Hg.): Vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, Köln, Kiepenheuer & Witsch, 1972, p. 163, note 102.
[18]. Otto Bauer: Der Weg zum Sozialismus, Berlin, 1919.
In: Otto Bauer, Werkausgabe (Band 2), Wien, Europaverlag, 1976, p. 91‑131. Ici p. 124.
[19]. Fritz Tarnow: Bericht auf dem Parteitag der SPD de 1931 ("Kapitalistische Wirtschaftsanarchie und Arbeiterklasse")
In: Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, 31. Mai‑5. Juni 1931 in Leipzig, Berlin, J. H. W. Dietz Nachf. p. 32‑52. Ici p. 45‑46.
[20]. In: Der sozialistische Kampf (Auslandsvertretung der Österreichischen Sozialisten, Hg.), Paris, 1938, p. 84.
[21]. Otto Bauer: Die Österreichische Revolution, Wien, Wiener Volksbuchhandlung, 1923, p. 242‑248 (§ 16 ‑ Die Volksrepublik).
[22]. O. Bauer: Die Österreichische Revolution. Ici p. 245‑246. (Cette citation figure déjà dans la citation de la p. 245 246 donnée plus haut.)
[23]. Otto Bauer: Das Gleichgewicht der Klassenkräfte.
In: Der Kampf, Wien, Wiener Volksbuchhandlung, Band 17, février 1924, p. 56‑67. Ici p. 66‑67.
[24]. K. Berchtold (Hg.): Österreichische Parteiprogramme…, p. 251‑252.
[25]. Max Adler: Politische oder soziale Demokratie (ein Beitrag zur sozialistischen Erziehung), Berlin, Laub’sche Verlagsbuchhandlung, 1926, pp. 112, 114, 130.
[26]. Max Adler: "Zur Diskussion des neuen Parteiprogramms".
In: Der Kampf, Wien, Wiener Volksbuchhandlung, Band 19, novembre 1926, p. 490‑498. Ici p. 493.
[27]. M. Adler: Politische oder soziale Demokratie…, p. 13‑14.
[28]. György Lukács: Thesenentwurf über die politische und wirtschaftliche Lage in Ungarn und über die Aufgaben der KPM(S) [Tézistervezet a magyar politikai és gazdasági helyzetrôl és a KMP feladatairól] (janvier 1929).
In: Demokratische Diktatur – Politische Aufsätze V (1925-1929), Frank Benseler (Hg.), Neuwied, Luchterhand, 1979, p. 139‑197. Ici p. 170‑171.
[29]. G. Lukács: Thesenentwurf… Ici p. 171‑172. (Le passage cité ici constitue la suite de celui référencé par la note 28.)
[30]. György Lukács: Der Kampf des Fortschritts und der Reaktion in der heutigen Kultur.
In: György Lukács, Werkauswahl, Band 2, Neuwied, Luchterhand, 1967, p. 603‑632. Ici p. 607‑608.
[321Ignition:] Voici une autre citation, où G. Lukács se réfère explicitement à la notion de démocratie populaire:
"[…] Zur Zeit der großen Französischen Revolution war nämlich die Struktur der Gesellschaft so beschaffen, daß alle heroischen Bemühungen der werktätigen Massen nur der Zerschlagung des feudalabsolutistischen Rahmens, der Schaffung der Voraussetzungen für die kapitalistische Entwicklung dienen konnten. Die direkten demokratischen Äußerungen der großen Massenbewegungen (die Klubs der Jakobiner, die direkten Eingriffe der Pariser Bezirke in die Politik des Konvents usw.) beeinflußten maßgeblich den Verlauf der Französischen Revolution, ermöglichten dort ‑ und nur dort ‑ die völlige Zerschlagung des Feudalismus; die gesellschaftlichen Zielsetzungen dieser Massenbewegungen waren jedoch damals in ihrem ökonomischen Inhalt undurchführbar, waren utopisch. Heute aber sind sowohl die ökonomischen wie die gesellschaftlichen und machtpolitischen Voraussetzungen dafür gegeben, daß der heroische Kampf des werktätigen Volkes um die Niederwerfung des Faschismus ernsthaftere Ergebnisse zeitige als den bloßen Übergang zur Wiederherstellung der formalen demokratischen Ordnung der Vorkriegszeit. Heute sind die Voraussetzungen gegeben, daß das Volk, das in diesem Ringen allein kämpfte und siegte (das auch 1830, 1848, 1918-1919 allein um die Freiheit kämpfte), seine Herrschaft bewahre und festige, ohne daß diese Herrschaft sozialistische Formen annimmt. Das ist heute die zentrale Frage der Lage der Demokratie in Europa (kurz: die Frage der Schaffung einer Volksdemokratie neuen Typs)."
("Literatur und Demokratie", texte de 1946, in: Ausgewählte Schriften (Band 4: Marxismus und Stalinismus ‑ Politische Aufsätze), Reinbek, Rowohlt, 1970), p. 94‑109. Ici p. 100.
[31]. Die Internationale, Prag, 1937, Nr. 1/2, S. 75-82.
In: Wilhelm Pieck: Gesammelte Reden und Schriften (Band 5 ‑ Februar 1933 bis August 1939) (Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Hg.), Berlin, Dietz, 1972, p. 356‑373.
http://321ignition.free.fr/pag/de/lin/pag_007/1936_06_yy_KPD_ZK_Richtlinien.htm
[32]. Georgi Dimitrow: Diskussionsrede zur spanischen Frage in der Sekretariatssitzung des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, 18 septembre 1936.
In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.), Berlin, Dietz, 14. Jahrgang, 1972, Heft 3, p. 459.
http://321ignition.free.fr/pag/de/lin/pag_007/1936_09_18_EKKI_Dimitrow.htm
[33]. Berner Parteikonferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands, Resolution: "Der Weg zum Sturze Hitlers und der Kampf um die neue, demokratische Republik", 1er février 1939.
In: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands, Berlin, Dietz, 1955, p. 393‑410.
http://321ignition.free.fr/pag/de/lin/pag_007/1939_02_01_KPD_Bern_Resolution.htm
[34]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici p. 186‑187.
[35]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici pp. 148, 186. (Le passage de la p. 186 cité ici précède celui de la p. 186 cité plus haut.)
[36]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici p. 165.
[37]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici p. 187. (Ce passage suite celui de la p. 186 cité plus haut.)
[38]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici pp. 156, 157, 158, 191‑194. (Le dernier paragraphe de cette citation figure déjà dans la citation de la p. 193 et suiv. donnée plus haut.)
[39]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici pp. 172‑174.
[40]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici p. 173‑174. (Ce passage est celui de la p. 173 174 déjà cité plus haut.)
[41]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici p. 195. (Les citations référencées par les notes 41 et 43 reprennent plus extensivement un passage déjà cité partiellement: p. 196 et la suite p. 197.)
[42]. F. Lassalle: Offenes Antwortschreiben… Ici p. 58‑59, 69.
[43]. F. Lassalle, Arbeiterprogramm. Ici p. 195‑198. (Cette citation constitue la suite de celle référencée par la note 41.)
[44]. F. Lassalle: Offenes Antwortschreiben… Ici p. 70.
[45]. K. Berchtold (Hg.): Österreichische Parteiprogramme…, p. 129‑130. Ici p. 130.